Koran und Neues Testament

betr.: „Wie der Ku-Klux-Klan in Texas“, taz vom 15. 12. 03

Bernard Lewis hat wohl den Koran nur schlecht gelesen. Denn es finden sich in der Schrift, die dem Propheten Mohammed offenbart wurde, durchaus Verse, die zur Feindesliebe einladen. So heißt es in Sure 41, Verse 35, 36: „Gut und Böse sind nicht gleich. Wehre (das Böse) mit dem ab, was das Beste ist. Und siehe, der, zwischen dem und dir Feindschaft war, wird wie ein warmherziger Freund werden. Aber dies wird nur denen gewährt, die standhaft sind; und keinem wird es gewährt als dem Besitzer großen Seelenadels.“

Ähnliche Verse gibt es auch in anderen Suren. Was die Möglichkeit betrifft, „die andere Wange hinzuhalten“, so gibt es zahlreiche Verse, in denen der Prophet und die Gläubigen aufgefordert werden, Geduld zu bewahren, nicht Gleiches mit Gleichem zu vergelten und zu verzeihen. Aber es gilt nicht das Gebot des Verzeihens um jeden Preis, weil dies manche verleiten könnte, nun erst recht Böses zu tun. Im Koran steht dazu: „Die Vergeltung für eine Schädigung soll eine Schädigung in gleichem Ausmaß sein; wer aber vergibt und Besserung dadurch bewirkt, dessen Lohn ist sicher bei Allah.“ (42:41)

Im Übrigen irrt Bernard Lewis auch, wenn er meint, auf Apostasie (Abfall vom Glauben) stünde im Islam die Todesstrafe. Dies ist die Auffassung von mittelalterlichen Geistlichen, widerspricht aber dem Früh-Islam und dem Koran. Im Koran wird absolute Glaubens- und Gewissensfreiheit gefordert. Es heißt dort: „Lass den gläubig sein, der will, und den ungläubig sein, der will“ (18:30) und „In Glaubensdingen darf es keinen Zwang geben“ (2:257). Dass Apostasie von keinem irdischen Gericht zu bestrafen ist, belegt auch der folgende Vers: „Die aber glaubten und hernach ungläubig wurden, dann (wieder) glaubten, dann abermals ungläubig wurden und noch zunahmen im Unglauben, denen wird Allah nimmermehr vergeben noch sie des Weges leiten.“ Es ist ja wohl schlecht möglich, wieder gläubig zu werden, nachdem man ungläubig geworden war, wenn auf Abfall vom Glauben die Todesstrafe stünde.

Schließlich sei noch angemerkt, dass keineswegs alle christlichen Texte Pazifismus predigen, wie Bernard Lewis meint. Oder wie erklärt er Lukas 22, Vers 36: „Wer aber kein Geld hat, soll seinen Mantel verkaufen und sich dafür ein Schwert kaufen“?

HADAYATULLAH HÜBSCH, Frankfurt/Main