Das fahle Licht politischen Kalküls

Künstler von Chicago über New Delhi bis Stockholm protestieren gegen geplante Kürzungen des Kampnagel-Budgets

von Petra Schellen

Beträchtlich gemehrt haben sich im Laufe des Wochenendes die – nationalen und internationalen – Stimmen von Künstlern, die die vom Senat geplante Kürzung des Kampnagel-Budgets um zwei Prozent nicht hinnehmen wollen. Auf 74.000 Euro jährlich soll Kampnagel, so will es ein – in den heute beginnenden Haushaltsberatungen abzustimmender – Antrag der CDU-Fraktion, künftig verzichten. Die Summe soll einer erhöhten Projektförderung für Privattheater zugute kommen. Kultursenatorin Karin von Welck indes hat sich zur adhoc-Definition Kampnagels als Privattheater in selbigem Antrag bislang nicht geäußert. Der Rest der Welt aber schweigt nicht.

Als „Alibi“ für die Neuordnung der Theaterlandschaft bezeichnet etwa Janek Müller vom Theaterhaus Weimar die Pläne; sein Entsetzen über die nicht nur in Thüringen, sondern jetzt auch in Hamburg zu beobachtende Veantwortungslosigkeit verhehlt er nicht. Er hegt vielmehr den Verdacht, dass sich die Sparmaßnahmen nicht nur „auf Sachzwänge gründen“, sondern zugleich „im seltsam fahlen Lichte politischen Kalküls“ erscheinen.

Matthias Lilienthal, künstlerischer Leiter des Theaters Hebbel am Ufer in Berlin, befürchtet „verheerende Auswirkungen auf die Produktionsbedingungen für freie Gruppen“. Zudem sei Kampnagel „als Kooperationspartner nicht nur für das Hebbel am Ufer sehr wichtig, sondern auch für zahlreiche andere freie Häuser und Festivals auf nationaler und internationaler Ebene“. Die geplanten Kürzungen würden zwangsläufig dazu führen, „dass das Engagement Kampnagels in internationalen Projekten zurückgefahren werden muss und die kulturelle Präsenz Hamburgs im Ausland an Bedeutung verliert“.

Auswirkungen, die der Idee vom weltoffenen Hamburg in keiner Weise entsprechen. „Die Reduktion der Förderung ist diametral entgegengesetzt zur Schlüsselrolle, die Kampnagel auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene spielt“, schreibt CJ Mitchell, Manager der Chicagoer Goat Island Performance Group. Und die indische Performerin Maya Krishna Rao fürchtet, dass mit Kampnagel eine der wenigen Institutionen ausgehungert wird, die zukunftsweisende experimentelle Kunst präsentieren.

Klare Worte findet auch Hidenaga Otori, von 2002 bis 2004 künstlerischer Leiter des Laokoon-Festivals auf Kampnagel; inzwischen ist er Direktor des Kyoto Performing Arts Center: „Durch die ,Restrukturierung‘ der institutionellen Förderung werden Kampnagels innovative Projekte mit den kommerziellen Programmen von Privattheatern auf eine Stufe gestellt“; dies sei eine „Grausamkeit gegenüber der menschlichen Kultur“. Chris Torch, künstlerischer Direktor von Intercult Stockholm wiederum betont die „einzigartige Struktur“ der Kampnagel-Projekte, die „im europäischen und globalen Kontext pionierhaft“ seien.

Wenig verwunderlich daher, dass auch das Kampnagel-Team seinerseits gegen den „spontanen politischen Richtungswechsel ohne diskursive Grundlage“ protestiert; der Kampnagel-Förderverein K Plus schließt sich an: „Hamburg zeigt sich wieder einmal von seiner provinziellen Seite“, konstatiert Vorstandsmitglied Tim Burkert. Dies sei kein Indiz für den authentischen Wunsch der CDU nach einer „lebendigen kulturellen Szene“. Aber, so Kampnagel-Intendantin Gordana Vnuk in einen offenen Brief an Wolfgang Drews (CDU), der für den einschlägigen Antrag maßgeblich verantwortlich ist, „leider fehlen Ihrer Fraktion dafür offenbar der Mut und die langfristige Vision“.