Der König vom Kiez wird 90

Willi Bartels ist eine Legende und der größte Immobilienbesitzer auf St.Pauli. Er hat mit Sex und Remmidemmi viel Geld verdient und dabei das Kunststück vollbracht, nicht selbst zum Teil des Milieus zu werden

Die Gangster kamen und gingen – er ist immer noch da: St. Paulis ungekrönter König Willi Bartels wird heute 90 Jahre alt. 1927, als 13-Jähriger, zog er mit seiner Familie aus dem niedersächsischen Bad Harzburg auf den Kiez. Er und seine Familie haben die Weltwirtschaftskrise und nach dem Krieg das Wirtschaftswunder zu nutzen verstanden. Sex und Remmidemmi machten Bartels reich, wobei er vor allem an seinen Immobilien verdiente.

Die Bartel‘sche Erfolgsstory begann mit Braunschweiger Würstchen, die Willi Bartels Mutter Anna der Legende zufolge in unnachahmlicher Art herzustellen verstand. Das erste Lokal der Familie, das Kabarett „Jungmühle“, stotterte Vater Hermann mit Würstchen ab. Seeleute und Touristen schwemmten in der Vorkriegszeit Geld in den Kiez.

Die Familie Bartels verdiente mit und kaufte das „Hippodrom“ in der Großen Freiheit. Der 1944 in Prag gedrehte Hans-Albers-Film „Große Freiheit Nr. 7“ machte das Lokal berühmt, in dem sich Gäste zum allgemeinen Amüsement im Maulesel-Rodeo versuchen und Pferde aus Maßkrügen saufen konnten. Der Tierschutz soll dem Treiben ein Ende bereitet haben.

1943/1944 kämpfte Willi Bartels als Unteroffizier in Russland. Eine Verletzung ersparte ihm ein drittes Jahr an der Front. So konnte er sich in Hamburg von Anfang an dem Wiederaufbau widmen, wobei er nach dem Tod seines Vaters 1947 selbst die Geschäfte führte. Auf dem Kiez waren 60 Prozent der Lokale zerstört, doch bei Familie Bartels brummte das Geschäft. „Je mieser die Zeiten, desto vergnügungssüchtiger die Leute“, zitiert Ariane Barth in ihrem 1999 erschienen Buch „Die Reeperbahn“ den Kiez-König.

Der Satz galt im Krieg und er galt auch danach. Vater und Sohn bauten die Jungmühle wieder auf. Bartels 1943 angetraute Frau Gisela, eine ehemalige Tänzerin, brachte den Mädchen des Hippodroms bei, sich effektvoll zu entkleiden. Zwar war bei der Unterwäsche Schluss. Dennoch musste Bartels Anfang der 50er Jahre 300 Mark Strafe zahlen, weil die Büstenhalter zu knapp geschnitten waren.

Zehn Jahre später war es die Politik, die an Bartels mit einem halbseidenen Ansinnen herantrat. Um die Prostituierten von der Straße zu kriegen, sollte er einen großen Kontakthof bauen. Gisela Bartels hat zunächst protestiert, Ariane Barth zufolge dann aber den Namen „Eros Center“ für das neuartige Bordell erfunden. Am Ende wurde es ein Puff wie jeder andere, der später in eine Asylbewerber-Unterkunft umfunktioniert wurde.

Um Geld verdienen zu können, durfte der Kiez keinen zu schlechten Ruf bekommen. Gegen überhand nehmenden Nepp gründete Bartels Mitte der 80er Jahre mit anderen Geschäftsleuten zusammen die Interessengemeinschaft (IG) St. Pauli. Einmal im Monat treffen sie sich in Bartels‘ Hotel „Hafen Hamburg“ zum Turmschnack, um mit Politikern, Investoren und Fachleuten die Probleme des Viertels zu diskutieren.

Seine eigenen Geschäfte regelt Willi Bartels vormittags am Stammtisch in der Hotelbar, auch wenn seine Enkel inzwischen viel vom Tagesgeschäft erledigen. Gernot Knödler