Fit für die Gegner

Bei Tasmania Gropiusstadt steigt nicht die Mannschaft auf, sondern der Nachwuchs. Aber bei anderen Clubs

Detlef Wilde hätte die jungen Wilden gern bei Tasmania Gropiusstadt gehalten. „Aber alle sind sie gegangen. Nur einer konnte nicht wegrennen, denn der hatte einen Kreuzbandriss“, scherzt der Vorsitzende des Neuköllner Fußballvereins, wenn er vom letzten Jahrgang seiner erfolgreichen A-Jugend spricht. Immerhin kann er viele seiner früheren Eleven am Fernseher bewundern, wie sie bei anderen Clubs für gutes Geld dem Ball nachjagen. Ein Privileg, das sich der Traditionsclub aus dem Werner-Seelenbinder-Stadion durch seine als vorzüglich bekannte Nachwuchsarbeit verdient hat.

Die Liste der Tas-Gewächse in der Bundesliga ist lang: Sie reicht von arrivierten Exnationalspielern wie Carsten Ramelow (Leverkusen) bis zu jungen Himmelsstürmern wie Ranisav Jovanovic (Mainz) oder Sahr Senesie (Dortmund). Auch der Stadtrivale Hertha BSC bedient sich beim einstigen Konkurrenten: Als jüngster Spross aus der Tas-Schule scheint Christian Müller, derzeit durch einen Beinbruch gehemmt, im Olympiastadion Bundesliga-Reife zu erlangen.

Sauer ist Wilde nicht über den Exodus der Talente-Teens: „Die Jungs müssen weg, wenn sie sich auf höherer Bühne spielen wollen.“ Der Sprung aus der Jugend zu den Tas-Männern ist vielen nicht hoch genug. Die 1. Herrenmannschaft spielt in der Berliner Verbandsliga. „Jedes Talent“, berichtet Wilde aus leidvoller Erfahrung, „will sich mindestens in der Oberliga zeigen.“ Also eine Klasse höher. Doch dafür reicht bei Tasmania das Geld nicht.

Jedes Mal, wenn der Sprung gelingen könnte, investiert ein anderer Verbandsligist mehr oder erfolgreicher in das Unternehmen Aufstieg. So schnappten in den Vorjahren SV Yesilyurt und BFC Dynamo den Neuköllnern die Meisterschale vor der Nase weg. Auch in der laufenden Saison, in der Tas „für alle Mannschaften“ (Wilde) mit 60.000 Euro Etat kalkuliert, ist der Zug wohl abgefahren. Nach der Vorrunde liegt BFC Preußen souverän auf Meisterkurs 13 Punkte vor dem Tabellenfünften aus dem Seelenbinder-Stadion.

„Wir gehen finanziell kein Risiko ein“, erklärt Wilde. Die Vergangenheit hält den Nachfolgeverein des legendären SC Tasmania 1900 davon ab. Als Spätfolge der Katastrophensaison 1965/66, als „1900“ in der Bundesliga bis heute unerreichte Negativrekorde aufstellte, ging der Vorgängerclub Pleite. 1973 musste die neue Tasmania in der Kreisliga ganz unten beginnen.

„Unser Kapital ist die Jugendarbeit“, verkündet Wilde. Dank der Wohnungsbaugesellschaft Gehag, die im Problembezirk die Jugendarbeit fördert, zählen die Neuköllner in der Kategorie „Unter 18 Jahren“ neben Promi-Clubs wie Hertha oder Werder Bremen zum Kreis der besten 14 norddeutschen Teams.

Der DFB honoriert die Nachwuchsförderung jedoch nicht unbedingt in dem erwarteten Maße. 6.000 Euro spendierte der Verband der Berliner Talentschmiede. „In der Tas-Jugend ist das eine Menge“, so Wilde. Aber es reicht nicht, um der abwanderungswilligen Jugend eine feste Heimat zu geben.

JÜRGEN SCHULZ