taz-Adventskalender (13): Die Spielertür zum Olympiastadion
: 13 Stufen bis zum Olymp

Stehen Sie auf fade Schokotäfelchen? Wir auch nicht. Die Türen des taz-Adventskalenders verbergen anderes: geheime Schätze und wilde Tiere. Sex and Crime. Letzte Dinge. Bis Weihnachten öffnen wir täglich eine Tür – auf einem Kalender namens Berlin.

Schlicht ist sie, funktional und transparent. Und hinter ihr erstreckt sich kein Raum, sondern zunächst einmal eine breite Betontreppe mit 13 Stufen. Diese doppelflügelige Glastür im Olympiastadion ist mehr als ein bloßer Durchgang – sie ist eine Schwelle. Wer durch sie hindurchtritt, den erwartet ein gigantisches Inneres. Der Rasen wird von einer blauen Tartanbahn umkreist – blau, das ist einmalig in Europa. 40 Meter hoch ragen Tribünen rundum gen Himmel. Ein heller Ring scheint über dem Stadion zu schweben: Das neue transluzente Dach trägt Lautsprecher und Scheinwerfer in seinem Bauch.

Solche Eindrücke erleben in der Bundesliga-Saison jeden zweiten Samstag die Hertha-Spieler. Wenn der Stundenzeiger auf der Drei ruht und der Minutenzeiger von 29 auf 30 springt, laufen sie durch diese Tür. Nicht die Nervosität, nicht das laute Getose der Fans, nicht das Unausweichliche des Verlierens oder Siegens zählt. Was zählt, ist der Ort. „Es ist jedes Mal ein ganz besonderes Gefühl, etwas komisch, durch diese Tür zu gehen, denn das Olympiastadion ist ein spezielles Stadion. Es ist Teil der Geschichte“, sagt Hertha-Verteidiger Josip Simunic.

Klar, welche Geschichte gemeint ist. Mit dem irren Traum, eines Tages die Weltherrschaft zu erlangen, hat das Olympiastadion zu tun. Erbaut wurde es in Rekordzeit von 1933 bis 1936. Mit Superlativen wollte Reichskanzler Adolf Hitler die Welt beeindrucken. Eine machtvoll inszenierte Show wurde hier 1936, bei den 11. Olympischen Spielen, durchgezogen, mit ganz vielen Ornamenten der Masse und nur einem Hauptdarsteller. Später wurde hier aber auch die Stärke des eingekesselten Westberlin demonstriert – bei den Polizeischauen von 1951 bis 1971 (u. a. mit Plakaten, auf denen „Und dennoch … Berlin bleibt frei“ stand).

Trotz aller Geschichtsträchtigkeit dieses Ortes: Spielertür, -gang und -treppe sind erst während des Umbaus in den letzten vier Jahren entstanden. An ihrer Stelle war zuvor nichts als Beton und Erde. „Als wir das Pokalfinale im Mai 2004 spielten, war das Olympiastadion gerade neu. Ich kam aus dieser Tür und war überwältigt. Es wirkte so riesig!“, sagt Nadine Angerer, Torfrau bei FFC Turbine Potsdam. So unspektakulär die doppelflügelige Glastür auch scheinen mag: Der Raum hinter ihr übt eine besondere Anziehungskraft aus – auf Profi-Fußballer wie auf Menschen, die mit Sport nichts am Hut haben.

ANDREA EDLINGER

Morgen: Plasteportal Bauakademie