„Zu viele Träume, aber kein Geld“

Im Tempodrom-Skandal gerät Ex-Kulturzelt-Chefin Moessinger in Betrugsverdacht. Sie soll bewusst Explosion der Kosten ignoriert haben, behaupten die Grünen. CDU kritisiert den Hedonismus am Bau: Der erhielt Luxusausstattung

In der „Tempodrom-Affäre“ richten sich jetzt alle Pfeile auf Irene Moessinger und Norbert Waehl. Die Gründerin des Tempodroms und ihr Kompagnon stehen möglicherweise im Verdacht, schon frühzeitig über die Kostenexplosionen beim Neubau des Kulturzelts am Anhalter Bahnhof im Jahr 2000 informiert gewesen zu sein. Sie sollen sich aber bewusst darüber hinweggesetzt haben. Zugleich steht der Vorwurf im Raum, dass beide zusätzlich kostentreibende Baumaßnahmen nicht gestoppt, sondern noch gefördert hätten.

Nach den jüngsten Erkenntnissen, sagte Oliver Schruoffeneger, grünes Mitglied im Untersuchungsausschuss zum Tempodrom-Skandal, müsse die Staatsanwaltschaft bei den Ermittlungen sowohl dem Verdacht des Betrugs nachgehen als auch zivilrechtliche Konsequenzen wie einen möglichen Schadenersatz von Moessinger und Waehl prüfen. Der Betrugsverdacht gegen die einstige Tempodrom-Chefin bedeutet, dass neben den möglichen politischen auch persönliche Verantwortlichkeiten in den Mittelpunkt des Verfahrens rücken. Im Visier der Berliner Staatsanwaltschaft und des Untersuchungsausschusses standen bisher hauptsächlich Ex-Bausenator Peter Strieder und Finanzsenator Thilo Sarrazin (beide SPD). Denen wirft die Staatsanwaltschaft vor, unrechtmäßig öffentliche Mittel in Millionenhöhe in das private Bauvorhaben gesteckt zu haben.

Der insolvente Kulturtempel war von Moessinger und Waehl einmal auf rund 16 Millionen Euro kalkuliert worden. Mit 30 Millionen Euro bei seiner Fertigstellung war das Tempodrom fast doppelt so teuer geworden wie ursprünglich geplant. Strieder war nach den Vorwürfen und Ermittlungen gegen ihn im Frühjahr als Senator und Berliner SPD-Chef zurückgetreten.

Bereits am Wochenende hatte nach der Sitzung des Ausschusses dessen Vorsitzender Michael Braun (CDU) Moessinger und Waehl hart kritisiert. Als Vorstände der Stiftung Neues Tempodrom, die den Neubau vorantrieb, seien sie persönlich an der Kostensteigerung maßgeblich mitbeteiligt gewesen. Trotz der erheblichen Bedenken im Stiftungsrat sollen die Vorstände „ihre Wünsche nach einer Luxusausstattung“ für das Zelt durchgesetzt haben. Dies habe die Vernehmung von Zeugen ergeben, so Braun.

Braun bedauerte, dass Moessinger und Waehl nicht selbst vom Ausschuss befragt werden könnten, „warum sie auf den Anstieg der Baukosten nicht reagiert haben“. Beide berufen sich wegen laufender Ermittlungen auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Moessinger hatte in der Vergangenheit darauf hingewiesen hat, dass die Inneneinrichtung des Gebäudes fast rohbauartig belassen wurde.

Auch Dilek Kolat, Mitglied der SPD-Fraktion im Ausschuss, nahm Moessinger und Waehl aufs Korn. „Moessinger und Waehl hatten viele Träume, aber kein Geld“, sagte sie. Hätte man auf Extrawünsche wie das Liquidrom verzichtet, wären die Kosten nicht derart aus dem Ruder gelaufen. Stattdessen sei mit dem Liquidrom die teuerste und zugleich überflüssigste Badeanstalt der Stadt entstanden.

Zugleich kritisierte Kolat die fehlende Planungssicherheit sowie die unzureichende Finanzkalkulation. Allein die zeltähnliche Dachkonstruktion sei nach der Fertigstellung rund 1,25 Millionen Euro teurer geworden als geplant. ROLA