Katzen auf Glatteis

Das 0:1 gegen Nürnberg ist für Mainz 05 der etwas ernüchternde Schlusspunkt eines großartigen Jahres

MAINZ taz ■ Die Serie ging so: auswärts oweiowei, daheim eieiei. Das Rezept des FSV Mainz 05 war stets so simpel wie erfolgreich in seiner ersten Bundesliga-Hinrunde. Kaum hatte der Aufsteiger seinen kommenden Gegner mit einem schwachen Gastspiel mental aufgebaut, rannte er ihn auch schon zu Hause am Bruchweg nieder. Seit Samstag ist der Heimnimbus der Männer vom Rhein selbigen hinuntergeflossen. Das 0:1 gegen Nürnberg war das erste Spiel, das den Mainzern zu Hause verlustig ging, das erste auch, das keine jener mitreißenden Schlussphasen beinhaltete, die Mainz 05 seinen Charme verliehen haben.

Als gegen die Franken in der 78. Minute Ranisav Jovanovic eingewechselt wurde, dachte das Publikum an die denkwürdige Begegnung gegen Bremen, den womöglichen Höhepunkt der 05-Hinrunde: Jovanovic bereitete damals in den letzten Minuten zwei Tore vor, das 2:1 gegen den Deutschen Meister war einer jener großen Momente, in denen die Mainzer in ihrem kleinen Bruchwegstadion spielten, als seien sie ein Häufchen Gallier, die sich nach Regie der Herren Uderzo und Goscinny gegen die benachbarten römischen Lager aufbäumten.

Besonders zu Hause haben Jürgen Klopps neuzeitliche Gallier in den vergangenen Monaten vieles vollbracht. Bundesliga-Aufstieg, fünf Heimsiege und zwei Unentschieden, 17 Minuten imaginäre Tabellenführung während des Spiels in Wolfsburg, Zauberfußball, Rasenschach. In einem Jahr ist der Klub von 2.300 auf 3.800 Mitglieder gewachsen, der Etat während der Saison um zwei Millionen. Wer 05-Heimspiele besuchen will, muss darauf hoffen, dass sich einer der Dauerkarteninhaber ein Bein bricht, oder beste Beziehungen haben.

Der 20.300 Mann starke Gesangsverein ist immer in Laune, auch dann, wenn es so geht wie gegen Nürnberg: Auf dem hart gefrorenen Rasen wirken die Mainzer wie Katzen auf Glatteis, tollpatschig rutschen sie herum. Sie können ihre kurzen Pässe nicht stoppen, für das Mittelfeld lässt sich eine Strichliste anfertigen, wer häufiger dem Gegner in den Lauf spielt. „Wir haben die falschen Mittel gewählt“, erläutert Außenverteidiger Marco Rose. Man möchte ihm zurufen: Und die falschen Schuhe. Trainer Klopp erklärt: „Auf so einem Untergrund muss man lange Bälle spielen, das war auch so besprochen.“ Gegen Nürnberg funktioniert es nicht, nur für die ersten zwanzig Minuten nach Wiederanpfiff, als die Pausenansprache von Klopp noch nachhallt. Sonst spielt Mainz ein Klein-Klein-System, das letztlich nicht genügt, auch weil ihnen das Glück fehlt, welches sie bei ihren Last-Minute-Siegen in dieser Saison häufig erfahren haben.

„Es gibt Schöneres, als mit einer Serie von drei Niederlagen in die Winterpause zu gehen“, sagt Manager Christian Heidel. Und tatsächlich, die Auftritte in München, in Kaiserslautern und gegen Nürnberg haben gezeigt, dass ihm viel Arbeit bevorsteht. „Wir sondieren den Markt“, sagt Heidel, der ans Mittelfeld denkt, wo den Mainzern seit dem Wolfsburg-Spiel wegen eines Kreuzbandrisses Mimoun Azaouagh fehlt. Im Bereich des offensiven Umschaltens, das haben die vergangenen Begegnungen gezeigt, liegen die Mängel des Neulings. „Wir brauchen einen Spieler, der die Fähigkeiten hat, Mainzer zu werden“, sagt Heidel. Dies bedeutet: Laufbereitschaft, Kampfgeist, Systemsicherheit, Bezahlbarkeit. „Es wäre zudem wichtig, dass er ins Trainingslager mitkommen kann.“ Das beginnt am 3. Januar.

Im kommenden Jahr muss Mainz schnell zur alten Stärke zurückfinden. „Das ganze Jahr war für den Verein ein riesengroßer Erfolg“, sagt Stürmer Benjamin Auer. Allein zum Trainingsauftakt kamen 15.000 Fans, jedes Heimspiel war Rosenmontag. „Es war ein grandioses Jahr“, sagt auch Trainer Klopp. Dennoch, da ist der Fakt, dass Mainz auf fremden Platz nicht die Spur seiner Heimspielklasse hat. „In der Winterpause werden wir uns sehr intensiv mit den Auswärtsschwächen beschäftigen“, sagt Klopp. Kommendes Jahr will er beweisen, dass alles Lob, alle 22 Punkte verdient an die Rheinhessen gegangen sind. „Die Pause ist kurz, wir beginnen früh“, sagt Klopp. Am 12. Dezember hat das Training für die Rückrunde begonnen, gestern. VOLKER BOCH