Dem Volke dienen

IBM hat seine Abteilung für Personalcomputer an eine chinesische Firma verkauft – das ist ein bisschen schade

Kein einziger Amerikaner fand die Nachricht unpatriotisch. Die Firma IBM hat zwar 1981 den ersten PC auf den Markt gebracht, aber noch nie begriffen, was sie damit anfangen sollte. IBM baut keine kleinen Dinge für kleine Leute. Das Geschäft machten Intel und Microsoft. Der PC sei heute ein Gerät der „Verbraucherelektronik“, sagt der gegenwärtige IBM-Chef Sam Palmisano, das in einem „Massenmarkt“ von „Einzelkunden“ gekauft werde. Damit will er nichts mehr zu tun haben. Er hat die Abteilung an die chinesische Firma „Lenovo“ verkauft. Großes Geld könne IBM nun mal nur mit Großrechnern und Großkunden verdienen.

Das mag sein, ein bisschen schade ist es trotzdem. Ein echter PC von IBM war eben doch etwas anders als irgendeiner von Aldi, obwohl die meisten dieser eigentlich viel zu teuren, aber edel aussehenden Maschinen schon lange in China gefertigt worden sind. (In den Sonderwirtschaftszonen der Volksrepublik sind die Löhne noch niedriger als in Mexiko.) Dieser Text hier ist auf einem „Thinkpad 560“ von 1996 geschrieben worden – sein Prototyp war als Erster wirklich klein und leicht. Mein Exemplar hat seit nunmehr acht Jahren kein einziges Mal den Dienst versagt.

Jetzt bleibt davon nur der Name übrig, den Lenovo gleich mit gekauft hat. Wahrscheinlich haben die Chinesen sogar nur dafür Geld bezahlt, nicht für die Fabriken, mit denen IBM seit Jahren immer nur Geld verloren hat. Lenovo wird vermutlich versuchen, das zu ändern. Man wolle in das „obere Marktsegment“ vorstoßen, heißt es. Aber Geld ist nicht das Wichtigste an diesem Geschäft. Die Leute von Lenovo denken weiter in die Zukunft als Sam Palmisano. Sie wollen dem Volke dienen. Die Firma ist 1984 von Mitgliedern der staatlichen Akademie der Wissenschaften gegründet worden, um kapitalistische Technik in den chinesischen Kommunismus einzuführen. Nur zwanzig Jahre später verkauft sie PCs, auf denen „IBM“ steht. Wenn es so weiter geht, ist „Windows“ bald der Name eines chinesischen Betriebssystems und Coca-Cola nur echt, wenn es aus der Volksrepublik China kommt.

Karl Marx hatte Recht: Der Kapitalismus ist von Natur aus global. Es ist egal, in welchem Land ein PC von IBM hergestellt wird, und wem das dafür nötige Kapital gehört. Falls in den nächsten Jahren doch einmal etwas an meinem Thinkpad kaputt gehen sollte, schicke ich ihn nach China. Dort wird man ihn sicher reparieren können, schließlich ist in China der Abakus erfunden worden, die Rechenmaschine fürs Volk. Das war ein paar tausend Jahre vor IBM.NIKLAUS HABLÜTZEL