piwik no script img

MUSLIME: EINE GLEICHSTELLUNG MIT JUDEN UND CHRISTEN WÄRE HILFREICHWirbel tut gut

Man kann die Privilegien der Kirchen und jüdischen Gemeinden als Körperschaften des öffentlichen Rechts (KdöR) verteidigen: mit Verweis auf das jüdisch-christliche Abendland oder die zivilgesellschaftlichen Aufgaben dieser Glaubensgemeinschaften. Leichter jedoch fällt es, diese Privilegien zu verdammen, weil sie die grundsätzliche Trennung von Kirche/Synagoge und Staat aufweichen. Doch auch wer für diese strikte Trennung der Welten ist, sollte erwägen, ob nicht die jüngste Idee von Otto Schily clever ist, die muslimischen Organisationen hierzulande ebenfalls zu KdöRs zu machen. Man gibt den Muslimen dadurch mehr Rechte, bindet sie jedoch zugleich mehr ein.

Bezeichnend ist die Reaktion muslimischer Funktionäre: Während einige sagen, das habe man ja schon immer gefordert, weichen andere aus. Sie betonen, dass der KdöR-Status gegen die dezentrale Struktur des Islam, ganz ohne oberste Lehrautorität, spreche. Nur: Auch die jüdische Gemeinschaft ist fast komplett in der Rechtsform der KdöR verfasst – obwohl auch dem Judentum eine oberste Lehrautorität fremd ist. Was also könnte der wahre Grund dafür sein, dass die muslimischen Organisationen dem KdöR-Status so skeptisch gegenüberstehen? Offenbar empfinden tatsächlich viele eine größere staatliche Aufsicht als Bedrohung. Und es geht schlicht um Vereinsmeierei, genauer: um Macht. Die Türkei etwa würde an Kontrolle über ihren ferngesteuerten Muslim-Verein Ditib verlieren – so es ihn überhaupt noch geben könnte.

Die einzelnen muslimischen Verbände müssten sich zudem bei einer rechtlichen Gleichstellung mit den Kirchen und jüdischen Landesverbänden über grundlegende theologische und organisatorische Prinzipien einigen. Auch das scheint nicht leicht zu sein. Schließlich würden einige Organisationen erheblich an Einfluss verlieren – etwa der Zentralrat der Muslime, der trotz des hochtrabenden Namens nur etwa zehn Prozent der Muslime in Deutschland vertritt. Würde Schilys Idee Wirklichkeit, könnte dies also das muslimische Leben in Deutschland mächtig durcheinander wirbeln. Recht so! PHILIPP GESSLER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen