„CDU: Nicht regierungsfähig“

Johannes Remmel, Geschäftsführer der grünen Landtagsfraktion, über die regungslose CDU, die rechtspopulistische FDP – und die wahren Gründe des großen Koalitionsstreits im Frühjahr

INTERVIEW: CHRISTOPH SCHURIAN

taz: Herr Remmel, weshalb war 2003 landespolitisch so turbulent?

Johannes Remmel: Wüsste ich auch gern. Ich glaube, Anfang des Jahres wusste die SPD nicht, wie sie in die kommenden Wahlen gehen will: Mit der rot-grünen Konstellation oder einer anderen. Sie haben das aber nicht strategisch durchdacht. Und das hat zu den Turbulenzen geführt. Mit dem bekannten Ausgang...

...dem Düsseldorfer Signal, auf das sich Grüne und SPD schließlich verständigen konnten und das starke grüne Züge trägt. Hat sich die SPD verrechnet?

Das hat auch etwas mit unserer Stringenz zu tun. Wir haben zu Beginn der Auseinandersetzung unsere Positionen fest gelegt, haben überlegt, was gut ist für unser Land. Das und unsere Geschlossenheit hat sich am Ende ausgezahlt.

In diesen Tagen hört man wieder von Differenzen beim Sinkflug der Steinkohle. Eine Reprise auf den Koalitionsstreit im Frühjahr?

Das sind leichte Kräuselungen an der Wasseroberfläche, das nehme ich nicht als Streit wahr. Uns geht es darum, umzusetzen, was wir vereinbart haben. Ich kann noch nicht sehen, dass die Sozialdemokraten dazu nicht bereit sind.

Im Frühjahr schien Ministerpräsident Peer Steinbrück wild entschlossen, den Streit im rot-grünen Bündnis zu beenden, notfalls mit einem Wechsel zur FDP. Wie sehen Sie seine Entwicklung?

In den letzten zwei, drei Monaten hat der Ministerpräsident auf Bundesebene eine größere Rolle gespielt hat. Und das ist gut fürs Land.

Warum?

Wir sind zwar das größte Bundesland. Doch die Rolle von NRW hat sich durch den Wegzug der Bundeshauptstadt nach Berlin verändert. Es ist die Aufgabe von Steinbrück sicher zu stellen, dass NRW bundespolitisch eine herausragende Rolle spielt.

Und landespolitisch?

Steinbrück wirkt auf der langen Strecke. Er braucht eine gewisse Zeit, um auch im ganzen Land angenommen zu werden. Es ändert sich ja schon, sowohl was seine Wirkung nach Außen angeht, als auch die Auseinandersetzung mit der Opposition. Der MP ist dann gut, wenn er die Konfrontation sucht.

Auch mit den Grünen?

Die war etwas unüberlegt, hat jedoch zur Klärung beigetragen. Aber jetzt, in der Auseinandersetzung mit der Opposition auf der Grundlage eines sicheren Fundamentes gewinnt der Ministerpräsident, wenn er klare Kante fährt.

Die SPD hat wohl oder übel in Gedanken mit einem anderen Koalitionspartner gespielt. Wie ist das bei den Grünen?

Nachdenken tun wir viel, aber spielen sollte man damit nicht. Die Menschen möchten, dass die entscheidenden Fragen klar beantwortet werden. Für uns heißt das: Wir machen eine gute Regierungsarbeit und wollen die nach den Wahlen 2004 und 2005 gestärkt fortsetzen. Im Zweifel sind andere Konstellationen denkbar, aber das spielt in der Wahlauseinandersetzung keine große Rolle.

Schaut man auf die Umfragen, muss einem da nicht Angst und Bange werden um die SPD?

Ich habe kein Mitleid mit anderen Parteien. Die Grünen sind für grüne Wahlerfolge zuständig und die Sozialdemokraten für sozialdemokratische. Wenn wir gut zusammen arbeiten, kommt für beide Partner ein gemeinsamer Erfolg herum. Die Bundestagswahlen haben das gezweigt. Das ist auch die Handlungsanleitung für die Landtagswahlen 2005.

Trotzdem: Wenn die SPD bei den Kommunalwahlen im kommenden Jahr wiederum eine Schlappe kassiert, werden die zur Testwahl für Rot-Grün im Land und im Bund.

Das Kommunalwahlen im Flächenland NRW eine gewisse Bedeutung haben, will ich nicht abstreiten. Aber Kommunalwahlen sind lokale Wahlen. Es wird deshalb auch keine landesweiten Festlegungen für bestimmte Bündnisse geben. Es war nie unser Stil, das ZK-mäßig vorzuschreiben. Man muss zudem wissen: 1999 war ein verdammt schlechtes Jahr für beide Koalitionsparteien. Ein Jahr nach der Bundestagswahl gab es eine ganz schlechte Performance in Berlin. Trotzdem konnten wir uns ein halbes Jahr später bei der Landtagswahl behaupten. Und das macht deutlich, dass Bewegungen möglich sind. Aber natürlich ist es gut, wenn das Sprungbrett Kommunalwahl an der richtigen Stelle getroffen wird.

Wenn die SPD im Ruhrgebiet im nächsten Jahr nochmal verliert, dann wird nicht gesprungen, dann brennt der Baum.

Aber wozu raten Sie uns? Wir möchten die Regierungsarbeit mit einem starken grünen Teil fortsetzen und dafür müssen wir kämpfen. Die Sozialdemokraten müssen für ihren Teil kämpfen. Außerdem gehe ich davon aus, dass das im Ruhrgebiet kein durchgängiger Trend sein wird. Es gibt Kommunen, wo die CDU eine gute Arbeit gemacht hat. Es gibt aber auch Kommunen, wo es nicht gut gelaufen ist, da müssen wieder andere Kräfte ran. Die Ergebnisse werden nicht so klar sein, dass man sagen kann, das wird eine Katastrophe bei den Landtagswahlen.

Und wie steht‘s mit einem Landesbündnis mit der CDU?

Die Grünen waren schon immer eine auf Inhalte orientierte Partei. Wir müssen diesen Maßstab auch an die CDU anlegen. Stattdessen lassen wir es zu, das mit dem Etikett „Neue CDU im Westen“ etwas verkleistert wird. Wenn man näher hinguckt, hat das immer noch den morbiden alten Charme der inkonsistenten CDU. Man kann zwar kosmetische Korrekturen feststellen, zum Beispiel bei der Integrationspolitik – aber das war auch bitter nötig nach dem Imageschaden durch Rüttgers‘ „Kinder statt Inder“-Kampagne. In der Bildungspolitik gibt es eine inhaltliche Erstarrung. Die CDU denkt in Mustern der sechziger und siebziger Jahre. Das ist keine Antwort auf PISA.

Rüttgers wirbt seit einem Jahr für sein Entschuldungsprogramm, als Bundesminister hat er es geschafft, seinen Personaletat einzusparen.

Aber mit 1,5 Prozent Personalkürzung bleibt er weit unter dem, was wir im Landeshaushalt gemacht haben. Nein, der Oppositionsführer liegt wie ein toter Mann im Wasser und bewegt sich nicht, um bloß keine Wellen aufkommen zu lassen. Ein Landesvorsitzender muss agieren. Nehmen wir die Spendengeschichte in Köln. Da muss ein Landesvorsitzender erkennbar sein. Stattdessen wird halb agiert, der Generalsekretär vorgeschickt.

Was wird auf die Landesparteien zukommen in Fragen Parteispenden und Korruption?

Die Politik in NRW hat vor allem das Thema FDP aufzuarbeiten: Wie gelingt es einer Führungsclique, eine demokratische Partei teilweise rechtspopulistisch zu justieren – mit Zahlungen von über fünf Millionen Euro an die Landespartei und ihre Untergliederungen in einem Zeitraum von sechs Jahren? Und wie schafft man es, in zwei Wahlen mit möglicherweise erschlichenen Mandaten die Grundachsen der Landespolitik zu verschieben? Letztlich Fragen der politischen Kultur und der demokratischen Verfassung. Bei der Bekämpfung der Korruption und Politik freut mich derzeit der Wettlauf der politischen Kräfte um eine dauerhafte Verankerung der präventiven Strategien. Im nächsten Jahr werden wir zu guten Ergebnissen kommen.

Ein Wettlauf wie bei der Verwaltungsstrukturreform?

Da bin ich skeptischer. Es spielen auch Wahlchancen eine Rolle. Im Interesse der Sache wäre es sinnvoll, so weit liegen die Vorstellungen nicht auseinander. Da ist jetzt die Durchsetzungsfähigkeit der beiden Großparteien gegenüber ihren eigenen Reihen gefragt. Die Konflikte laufen quer zu den Parteigrenzen, sowohl zwischen Regionen als auch zwischen staatlicher und kommunaler Seite.

Immer wenn es so friedlich schien zwischen Rot und Grün in Düsseldorf, brodelte es unter der Oberfläche. Werden wir wieder ein spannendes Frühjahr erleben?

(Lacht) Darf ich das als journalistisches Pfeifen im Wald interpretieren?

Ja, bitte, Herr Remmel, geben Sie uns eine Krise!

Ich muss sie enttäuschen. Es gibt eine klare Aufstellung für die Kommunal- und Landtagswahlwahl: Nur wenn die Koalition vernünftig miteinander arbeitet, wird sie gemeinsam erfolgreich sein. Ich will nicht ausschließen, das der ein oder andere unruhig wird mit Blick auf die Umfrageergebnisse. Nur in der langen Distanz liegt der Erfolg.