Bürgermacht statt kölschem Klüngel

Seit die Bürger von Porto Allegre selbst über den Haushalt bestimmen, geht es mit der Stadt wirtschaftlich, politisch und sozial bergauf. Das weltweit beachtete Modell stößt inzwischen auch in Köln auf Interesse. Die Verwaltung bleibt jedoch skeptisch

VON SUSANNE GANNOTT

Das Stadtsäckel ist leer, soziale Einrichtungen schließen, derweil Mammutprojekte von fragwürdigem Nutzen Millionen verschlingen: Köln ist nicht die einzige Kommune in Deutschland, die ein Lied davon singen kann. Einen möglichen Ausweg sehen manche, etwa der DGB-Köln, das evangelische Sozialwerk oder das Kölner Sozialforum, im so genannten Bürger- oder Beteiligungshaushalt.

Das Konzept, das zuerst im südbrasilianischen Porto Allegre entwickelt wurde, hat inzwischen weltweit Nachahmer gefunden. Auch in NRW betreibt die Landesregierung zusammen mit der Bertelsmann-Stiftung in sechs Städten das Versuchsprojekt“ Kommunaler Bürgerhaushalt“. Damit hofft man beim Bürger „mehr Verständnis für die kommunalen Sparzwänge“ zu wecken, wie es im Zwischenbericht vom Juni heißt. Die ursprüngliche Idee zielt allerdings auf etwas anders: In Porto Allegre geht es vor allem darum, die Bürger mit direktdemokratischen Beteiligungsverfahren an der Aufstellung des Haushalts zu beteiligen (s. Kasten). Der Erfolg dieses Modells ist beeindruckend: Innerhalb von 10 Jahren stieg die Zahl der Abwasseranschlüsse von 46 auf 83 Prozent, die Alphabetisierungsquote verdreifachte sich, Elendsviertel wurden saniert. Mehr als 15 Prozent der Einwohner Porto Allegres – rund 100.000 Menschen - beteiligen sich jedes Jahr aktiv an der Haushaltsaufstellung. Klientelismus und Korruption wurden so weit zurückgedrängt, dass die UNO Porto Allegre inzwischen zu den weltweit 40 besten Beispielen öffentlicher Verwaltung zählt.

Bis in die Kölner Verwaltung ist die neue Kunde indes noch nicht vorgedrungen, Pressesprecherin Inge Schürmann jedenfalls sagte der Begriff „Bürgerhaushalt“ nichts. Nach ihrer Überzeugung reichen die vorhandenen Mittel der Mitbestimmung ohnehin aus: „Wir haben eine ausgeprägte Beteiligungskultur.“ Auch habe sie Zweifel, dass die Idee in einer Großstadt wie Köln praktikabel ist. Das sieht der Kölner CDU-Fraktionschef Jürgen Klipper ähnlich. Er fürchtet zudem, dass beim Bürgerhaushalt die egoistischen Interessen von Einzelgruppen das Allgemeinwohl dominieren könnten.

Dies sei aber ein grundsätzliches Problem von Bürgerbeteiligungen, erwidert der SPD-Fraktionsvorsitzende Martin Börschel: „Der Stadtrat sollte immer in der Lage sein, das Allgemeininteresse zu vertreten.“ Er hält den Bürgerhaushalt für einen wichtigen Schritt zu mehr Haushaltstransparenz und stärkerer Einbindung der Bürger „gerade in Zeiten, in denen zu wenig Geld da ist“. Dennoch sehen auch die Kölner Befürworter bei SPD, Grünen und PDS die Schwierigkeiten, das Konzept auf Köln zu übertragen. „Das wäre eine Fleißarbeit, aber nicht unmöglich“, meint der stellvertretende grüne Fraktionschef Jörg Frank. Für den Einstieg schlägt PDS-Stadtrat Jörg Detjen daher vor, mit Bürgerhaushalten in den Stadtbezirken anzufangen, wo die Menschen den direkten Bezug zu öffentlichen Einrichtungen haben und wissen, was ihr Veedel braucht.

Langfristig könnte Köln so von seinen derzeit größten Problemen befreit werden: dem korrupten Klüngel und den leeren Kassen. Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen jedenfalls, dass Kommunen mit direktdemokratischen Beteiligungsmöglichkeiten ausgeglichenere Finanzen vorweisen – auch weil die Bürgerkontrolle Verschwendung und Korruption unterbindet.