Der Bund ist kein Weihnachtsmann

Kulturstaatsministerin Weiss kritisiert die „Berliner Selbstblockade“ bei den Reformbemühungen in der Kulturpolitik. Noch immer herrscht zu viel Subventionsmentalität in den Köpfen der Politiker – auch beim Regierenden Wowereit

Kulturstaatsministerin Christina Weiss hat zu Weihnachten dem Land Berlin die Leviten gelesen. So habe die berühmt-berüchtigte Subventionsmentalität in der Vergangenheit nicht nur notwendige Reformsschritte in der Kulturpolitik verhindert. Auch heute noch blockiere das Land mit dieser Haltung institutionelle Reformen in der Hauptstadt. Angesichts der Haushaltsmisere und dem Niedergang des Kulturetats von 449 Millionen 2002 auf 438 Millionen Euro in diesem und noch weniger Mittel im kommenden Jahr hätte die Politik ihre Positionen aufgeben müssen, dass der Bund es weiterhin schon richten werde, man selbst aber nichts zu tun bräuchte, kritisierte Weiss.

Hintergrund der Weiss-Kritik ist die Sorge der Kulturstaatsministerin, das Land wolle sich weiterhin seine Reformbemühungen vom Bund vergolden lassen. Die Opernstiftung zum Erhalt der drei Bühnen – Staatsoper, Deutsche und Komische Oper – unterstützte Weiss mit rund 22 Millionen Euro. Außerdem werden die Gelder für den Hauptstadtkulturvertrag im kommenden Jahr aufgestockt. Insgesamt steckt der Bund 407 Millionen Euro in die Berliner Kulturlandschaft, einen Großteil davon in die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Bauarbeiten für die Staatsbibliothek sowie die Museumsinsel.

Stellvertretend für andere Strukturveränderungen fordert Weiss, dass das Land seine „Selbstblockade“ auch bei der Kultur aufgeben müsse: „Berlin war so lange in dieser Subventionshaltung, dass die Notwendigkeit zum Reformieren nicht ernsthaft erwogen wurde. Das passiert erst jetzt, zehn Jahre nach Hamburg“, sagte sie der Nachrichtenagentur AP. Während ihrer Zeit als Hamburger Kultursenatorin habe sie so ihre Erfahrungen mit den Berliner Kollegen gemacht. Jahrelang sei sie in die Hauptstadt „gepilgert“, um die Reformaktivitäten mit Hamburg und Berlin gemeinsam durchzuführen. „Die Berliner Kultursenatoren lehnten jedoch immer wieder mit der Begründung ab, sie seien ja die Hauptstadt, und der Bund werde sie auch weiterhin versorgen.“ Das sei auch zu ihrem Amtsantritt noch so gewesen und sei noch immer in den Köpfen örtlicher Politiker.

Nicht ganz fair sind Weiss’ Leviten in Bezug auf ihren Kollegen, Kultursenator Thomas Flierl (PDS). Liegt dieser doch mit der Opernreform, den Einsparplänen im Theater und Orchesterbereich sowie bei den Tarifen der Bühnenmitarbeiter auf der Linie der Staatsministerin.

Ganz anders liegt der Fall bei Klaus Wowereit (SPD), dem Regierenden Bürgermeister – sonst als selbst ernannter Supersparer in allen Bereichen tätig und Mentalitätswechsel-Mahner: Zum Geburtstag von Christina Weiss, am 23. Dezember 2003, gratulierte Wowereit „mit herzlichsten Grüßen und Glückwünschen“ und heftete einen „Wunsch und eine Gewissheit“ an das Glückwunschtelegramm: „Wenn ich schon bei den Aussichten für 2004 bin, dann will ich auch hier (…) nicht verschweigen, dass wir auch weiterhin mit deiner Unterstützung rechnen dürfen (…) und Berlin auf dem Weg in die Zukunft solidarische Begleitung erfährt“ – sprich, weiter Geld vom Bund in die hauptstädtischen Kassen gespült werden müsste. Gerade die „gemeinsamen“ Anstrengungen zur Opernreform hätten gezeigt, so Wowereit, wie man der Berliner Kultur eine Perspektive geben könne. ROLF LAUTENSCHLÄGER