Der homosexuelle Mann …

… muss auch mal Schluss machen. Peter Hedenström verlässt seinen Buchladen

Er liebte die Bücher und die Menschen, die zu ihm kamen. „Toll, toll, toll“ war stets seine Auskunft zur Befindlichkeit

Schluss! Aus! Basta! Peter Hedenström macht Schluss, nach 25 Jahren verlässt er den Buchladen, den er mitbegründet hat. Nicht irgendeinen Laden, nein, den „Prinz Eisenherz Buchladen“, Europas erste schwule Buchhandlung, und – Fans schwören es – die schönste weltweit.

Dass er nach 25 Jahren mal Schluss macht, hätte Peter sich nicht träumen lassen, als er 1978 in der Bülowstraße in Berlin-Schöneberg seinen ersten Laden eröffnete. 25 Jahre war damals keine Zeitdimension, in der man dachte, viel eher: schaffen wir das nächste Jahr, vielleicht das übernächste? Denn 1978 gab es nicht viel im Angebot eines schwulen Buchladens: Ein bisschen Psychoanalyse, was juristisches, die Klassiker Gide, Proust und Wilde, und ordentlich radikale Texte der französischen und amerikanischen Schwulenbewegung. Peter wurde zum Pionier, er durchforstete Kataloge und die Bestände diverser Bibliotheken, und alles, was auch nur im Entferntesten von Homo-Belang sein konnte, kam bei ihm in die Regale. Parallel dazu baute er den Verlag rosa Winkel mit auf, damit endlich die Bücher auf dem Markt erscheinen, für die sich der Aufwand wirklich lohnt.

Natürlich war Peter nicht alleine mit seinen Bemühungen, kollektiv wurde das damals geregelt, alle für einen, einer für alle. Bis der erste ging und Apotheker wurde im Bayerischen, und der nächste zum Herrscher über ein kleines Softpornoimperium mutierte, und noch einer, der wurde Psychotherapeut und ein anderer ein Tänzer. Andere kamen dazu, Peter blieb. Denn er liebte die Bücher, und die Menschen, die zu ihm kamen, und die Ladentheke. Das war sein Ding, und „Toll, toll, toll“, seine beständige Auskunft über die eigene Befindlichkeit dabei.

Neben den Büchern brachte Peter den Menschen auch schwules Leben nahe, das ganz triviale Leben jenseits von Sex und Revolte. Er organisierte Ausstellungen mit Plattencovern von Manuela und Mina beispielsweise und gab so Einblicke in einen Alltag, den bis dahin keiner beachtenswert fand. Selbstverständlich gab es auch Lesungen in dem Laden, mit allen, die im Homobizz was zu sagen haben, und Diskussionen, Talkrunden oder einfach nur mal ‘ne Autogrammstunde mit Stars, die definitiv keine waren. Als dann die Pest über die Schwulen kam, gab es die spärlichen Informationen dazu bei „Prinz Eisenherz“, fotokopierte Blätter mit dem Nötigsten. Und der Spiegel-Redakteur, der verantwortlich war für die ersten verantwortungslosen AIDS-Artikel im renommierten Nachrichtenmagazin, wurde des Ladens verwiesen.

Die Prinzen waren inzwischen umgezogen, nach Charlottenburg in die Bleibtreustraße. Das Sortiment wuchs, und Videos kamen zu den Büchern und CDs und Magazine und Zeitungen, der ganze schwule Kosmos halt, der ganze schwule Kommerz. Der ganze schwule Kommerz? Der hatte dann doch keine Chance im Laden, vor allem Peter war die Balance zu verdanken, seinem beharrlichen Blick auf wichtiges, seine deutliche Abneigung gegen jede schnelle falsche Mark.

Peter gehört zu denen, die heute verächtlich „Fossile“ genannt werden, oder „Veteranen“, und seine unschlagbaren Verdienste würdigt kein einziges Szeneblatt. Als er sich am vergangenen Samstag von seinem Laden verabschiedete und von seinen Kunden, da waren all die anderen „Fossile“ dabei, nur keiner von denen, die heute das dominieren, was sich so euphemistisch „Bürgerrechtsbewegung“ nennt. Peter war nie einer von ihnen und wird auch keiner mehr werden, und hat doch alles dafür getan, dass es auch die gibt. Vielleicht hört er jetzt auch deswegen auf, weil mal Schluss sein muss damit. ELMAR KRAUSHAAR