Sterne am Fußballhimmel

Die „African Stars“ spielen seit drei Jahren in der Dortmunder Freizeitliga. Nach furiosem Auftakt müssen sie feststellen, dass es für ausländische Teams im Amateurfußball nicht immer einfach ist

VON REINER LEINEN

„Immer datselbe mit die Schwatten“, tönt es vom Spielfeldrand, als die Jungs vom Hörder SV sich schon seit einer halben Stunde warm machen und vom Gegner noch immer jede Spur fehlt. Die Schwatten, immer zu spät, immer so gelassen, immer so dunkelhäutig. Das kann schon mal nerven, vor allem, wenn man als guter Deutscher besagte Tugenden wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit in Reinkultur verkörpert. Wenn auch grammatikalisch nicht ganz mängelfrei.

Die „African Stars“ spielen seit drei Jahren in der Dortmunder Freizeitliga. Als sie in der Saison 2001/2002 erstmals am Spielbetrieb teilnahmen, hatten die meisten von ihnen schon vorher ambitioniert Fußball gespielt, in Ghana oder Nigeria, einer beim französischen Erstligisten AJ Auxerre. Jetzt hießen die Gegner Jungferntal 81, Eintracht Eving und Polacho Drom – und hatten allesamt das Nachsehen. Die „Stars“ verloren in ihrer ersten Saison nur ein einziges Spiel, schossen 140 Tore. Aufstieg in die 1. Freizeitliga und Anlass zum Träumen: Jedes Jahr ein Aufstieg, bald würde man ganz oben sein, im Rampenlicht stehen.

So viel wird an diesem Nachmittag klar: Ganz sind die Träume nicht in Erfüllung gegangen. Gespielt wird immer noch auf Asche und im Schlagschatten eines Gasbehälters im Dortmunder Norden, Ruhrpott pur. Nur eine Hand voll Zuschauer hat sich hierher verirrt, und auf der vierten Lokalsportseite wird eine marginale Ergebnisnotiz zu lesen sein.

Dabei ist die Geschichte des „FC African Stars“ auch in Langfassung lesenswert, auch wenn es seit geraumer Zeit nicht rund läuft. Vieles von dem, was kneift und zwickt, hat mit dem zu tun, was etlichen ausländischen Fußballvereinen an üblichen Benachteiligungen widerfährt. Es gibt keinen festen Platz für die Spiele, keine Trainingszeiten, jeweils Mitte der Woche klärt sich bei der „Fußballbörse“, wann und wo das nächste Spiel stattfindet. Selbstredend darf immer nur dann gespielt werden, wenn sonst keiner spielt, samstags zu früher Stunde zumeist, wenn der gemeine Mittzwanziger gerade aus der Disco heimkehrt, oder am Samstagnachmittag, wenn halb Dortmund gen Westfalenstadion strebt. Man wird hin und her geschubst, spielt mal in Brechten, dann in Brackel, dann auf dem Mendeplatz. Für die „Stars“ sind alle Spiele „auswärts“.

Dass eigenethnische Fußballvereine auch gern einmal von Schiedsrichtern benachteiligt werden, ist nachgewiesen in einer ganzen Reihe von Untersuchungen, die Spielberichtsbögen, systematische Spielbeobachtungen und Sportgerichtsurteile auswerten. Da wird kräftig sanktioniert, um das vermeintlich aus den Fugen geratene Gleichgewicht wieder herzustellen. Wenn dann noch rassistische Pöbeleien hinzukommen, hört der Spaß endgültig auf. Wie im August beim Spiel zwischen den „Stars“ und dem TV Brechten, als eine Gruppe von zwanzig Hohlköpfen, die im Polizeibericht gern „Sympathisanten des rechten politischen Spektrums“ genannt werden, am Spielfeldrand auflief, üble Beleidigungen ausstieß und letztlich nur unter Aufbietung eines größeren Polizeiaufgebots des Platzes verwiesen und an Schlimmerem gehindert werden konnte.

Dabei haben die „Stars“ ganz andere Sorgen, als sich mit Hirnverbranntem auseinander zu setzen. Die Stimmung ist gereizt, weil sie im Moment schlechter spielen, als sie es gern hätten. Und erfolgloser. Schon vier Spiele verloren in dieser Saison, die als sportlicher Höhenflug gedacht war. Kofi, einer ihrer Besten, hat sich inzwischen woanders verdingt. Und solange sie der Taktikteufel reitet, werden sie keine vernünftigen Leistungen bringen. So spricht jedenfalls Hassan, Mäzen, Trikotkäufer, Seelenwächter der Mannschaft, der auch jetzt schon wieder am Spielfeldrand tobt, nachdem es schnell 0:2 steht, als alle nach vorne gestürmt sind und man das Toreverhindern vergaß. Später in der Kabine wird er wutentbrannt die Namen der sechs Spieler aufzählen, die am nächsten Wochenende noch einmal wiederkommen dürfen. Die anderen sehen sich schweren Vorwürfen ausgesetzt, von denen „My grandpa is faster than you“ noch als einer der charmanteren daherkommt. Wegbleiben sollen sie und künftig durch mangelnde Laufbereitschaft keinen Schaden mehr anrichten.

Allein, so üppig ist die Auswahl nun auch wieder nicht. Es gibt einen Kader von vielleicht zwanzig, fünfundzwanzig Spielern, so genau weiß das niemand. Was aber vor allem niemand so genau weiß: wie viele von ihnen am Spieltag kommen werden. Verlässlichkeit ist ihre Stärke nicht, und die Kommunikationsstrukturen sind verbesserungswürdig. Der African Shop 2000 in der Bornstraße ist „Vereinslokal“ und Umschlagplatz für Informationen zugleich. Doch die fließen offenkundig nicht immer reibungslos. Heute spielt man zu acht.

„More pressure“, fordert Junior, der Mannschaftskapitän. „Druck machen!“ Er wird es in der zweiten Hälfte noch ein paar Mal vehement über den Ascheplatz brüllen. Allein, helfen wird es heute nicht. Am Ende hat der Gegner dreizehn Tore erzielt und die „Stars“ bloß deren vier. Fortsetzung einer düsteren Serie, die einfach nicht abreißen will. Wirklich hell wollen die Sterne Afrikas am Dortmunder Fußballhimmel zurzeit einfach nicht leuchten.