Im Wellness-Reich Thailand

Egal ob am Flughafen, im Krankenhaus, am Straßenrand oder am Strand: Immer findet sich in Thailand ein Stand oder ein Schild mit der eindeutigen Aufschrift: Thai-Massage. Billig und oft auch gut. Aber noch viel besser sind die erstklassigen tropischen Wellness-Oasen rund um Bangkok

Ich rieche Zitronengras, bin umgeben von weichem Licht und warmen Farben Unser Geist sei wie ein Affe, sagt der Mönch. Er müsse deshalb trainiert werden

VON NICOLE SCHMIDT

„Dein Wind muss wieder richtig blasen. Dann kann die Energie ungehindert durch den Körper fließen, und alles ist im Lot.“ Es klang beruhigend, was der weißhaarige Meister Preeda Tangtrongchitr sagte. Er hatte nur ein wenig meine Schultern abgetastet, als ich ihm von meinem drückenden Kopfweh berichtete. Und dann von den vier Elementen in meinem Innern erzählt: Feuer, Wasser, Erde, Luft. Wenn eines nicht mehr mit den anderen harmoniere, gerieten alle aus der Balance, seien Körper und Seele nicht mehr in Einklang. Aber mit der richtigen Massage kriege man das schon wieder hin, lächelte der Meister sanft. Fünf Minuten später traktiert eine zerbrechlich wirkende Masseurse mit äußerst kräftigen Fußtritten meine Oberschenkel, drückt mit der Spitze ihres Ellbogens entlang meiner Innenarme, verbiegt meine Beine, zerrt an den Zehen, bis diese bedenklich knacksen, sie presst auf nur ihr bekannte Punkte in meinen Bauch, knetet meinen Rücken systematisch. Ich stöhne vor mich hin, erst vor Schmerz, dann vor Behagen. Sirinthorn lässt mich aufsitzen, während sie hinter mir kniet, greift unter meinen Armen durch, zieht, dehnt, verrenkt meinen Oberkörper. Nimmt meinen Kopf zwischen ihre Hände. Rollt ihn wie eine Ananas. Ein Ruck nach rechts. Knack, ein Ruck nach links: Knack. Und zum Abschluss Ohrenzwirbeln, bis die Ohren knallrot sind.

Hinterher sitzt meine Therapeutin erschöpft in der Ecke und ich bin voll Kraft. Mein Kopf schwebt schwerelos über dem Körper. Das also ist die berühmte Thai-Massage. Ich genoss sie am Wat Po, dem größten und ältesten Tempelkomplex Bangkoks. Mehr als nur heilige Hallen mit wunderbaren Schreinen und Chedis, mit Furcht einflößenden Dämonen und zarten Miniaturgärten, mit tausend Zimmern für Mönche und einem ruhenden Buddha aus Blattgold, vom Kopf bis zu den gigantischen Perlmuttfußsohlen 46 Meter lang. Der fortschrittliche König Rama III. öffnete den Tempel Anfang des 19. Jahrhunderts dem Volk als Zentrum des Wissens und der Naturheilkunde. Seither lesen dort Gelehrte Besuchern aus der Hand, zeigen steinerne indische Mönche die richtige Haltung bei Meditation und Yoga, veranschaulichen Wandmalereien an Strichmännchen Massagetechniken: An diesen Energieknotenpunkten musst du drücken. In der „Thai Traditional Massage School“ – in einem Innenhof vermitteln Masseure in Kursen die 2.500 Jahre alte Kunst des Körperheilens, geprägt von Akupressur, Yoga und Fußreflexzonenmassage. Und jeder kann sich im nüchternen Massen-Massagesalon unter surrenden Ventilatoren durchwalken lassen, für sechs Euro die Stunde.

Erst ist es schon komisch, sich angezogen neben all den anderen Touristen und Thais auf der schmalen Matratze auszustrecken. Aber dann habe ich beschlossen, auf meiner Reise nach Bangkok und Umgebung jede Massage und andere Wohltaten anzunehmen, die sich mir bieten. Und bald entdeckte ich: Thailand ist ein Wellness-Reich der ungeahnten Möglichkeiten. Frau muss wirklich nicht im Bangkoker Vergnügungsviertel Patpong einen Massagesalon aufsuchen, in denen meistens doch nur Männern Liebesdienste verkauft werden. Egal, ob am Flughafen, im Krankenhaus, am Straßenrand oder am Strand: Immer findet sich ein Lädchen, ein Stand oder ein Schild mit der eindeutigen Aufschrift: Thai-Massage. Billig, oft auch gut. Aber noch viel besser sind die erstklassigen Spas. Tropische Wohlfühloasen der ganz besonderen Thai-Art, für uns Europäer durchaus erschwinglich.

Ach, was kümmern mich der schnöde Mammon und die Probleme dieser Welt? Seit ich das Mandara Spa des Marriott Resorts direkt am Fluss betreten habe, höre ich nur noch das leise Plätschern von Wasser, das an der Wand meines intimen Behandlungszimmers herunterrinnt. Ich rieche den Duft von Zitronengras, bin umgeben von weichem Licht und warmen Farben. Ich sehe üppiges Bambus- und Palmengrün auf meiner Ruheterrasse, und durch das Loch meiner Liege eine Lotosblüte. Prapoj, mein Masseur, reicht mir Jasmintee und wäscht mir die Füße in einer kunstvoll behauenen Messingschüssel. Auf dem Wasser schwimmen Hibiskus-, Frangipani- und Rosenblätter. Blüten, sagen die Thai, schaffen eine Verbindung zur spirituellen Welt. Noch nie hat mir jemand so zart die Füße trockengetupft. Und dann diese streichelnden Hände auf meinem Rücken! Sie sprechen mit meinem Nacken, mit meinem Bauch, verteilen betörende Düfte. Aromatherapie, erklärt Prapoj, erfordere eine sanftere Massage, damit die ätherischen Öle und Essenzen aus Blüten, Holz, Gewürzen, Wurzeln im Körper ihre Wirklung entfalten können. Sie entgiften, harmonisieren, helfen gegen Stress, bringen Ruhe und Entspannung. Welch eine Wonne nach einem Sightseeing-Tag in diesem feuchtheißen, faszinierenden Moloch Bangkok. Nicht nur das Marriott, alle führenden Hotels verhelfen inzwischen auch Tagesgästen zu solch feinen kleinen Fluchten, allen voran das legendäre Oriental. Da Hotel, Mitte der Neunzigerjahre in einem Teakholzpavillon aus kolonialen Zeiten eingerichtet, gehört zu den Spa-Klassikern und pampert Präsidenten und Prinzen ebenso wie Pierce Brosnan und Goldie Hawn.

Der neuste Trend sind Day Spas. Unabhängig von Hotels sind sie nur darauf eingestellt, ihre Kundschaft für ein oder ein paar Stunden zu entführen. Keineswegs vergleichbar mit dem Rummel in deutschen Wellness-Landschaften. Sondern viel kleiner und privater und ausgerichtet auf Einzelbehandlungen, gern im Paket: „Rejuvenated“, „Relaxed“, „Sensation“. Gerade noch lief ich im Gedränge auf der verkehrumtosten Sukhumvit Road herum, einer der Hauptstraßen Bangkoks, vorbei an Betonpfeilern, Boutiquen und Blumen bindenden Mädchen. Und nun schrubbt mir eine anmutige Thai-Frau im gerade eröffneten Spa „Being“ mit Hingabe eine körnige Paste aus Milch, Honig, Limetten und jeder Menge Thai-Kräutern in den Körper. Danach lässt sie mich duschen und hüllt mich in Lotion. Seidig weich und straff fühlt sich meine Haut nach diesem „Thai Herbal Body Scrub“ an. Jetzt solle ich aber ausruhen und meditieren, gibt die Masseuse mir noch auf den Weg. Sonst nütze das Ganze nichts.

Meditieren. Also gut. Wir sind ja an der Quelle. Im International Buddhist Meditation Center der Mönchsuniversität im Wat Mahadhat kann jeder kostenlos meditieren lernen. Der zuständige Mönch Phramaha Bhatsakom Piyobhaso reicht uns seine golden durchwirkte Visitenkarte mit E-Mail-Adresse, legt seine zwei Handys auf den Tisch und gibt uns im Konferenzsaal nach einer Videoshow eine Einführung. Unser Geist sei wie ein Affe, sagt der Mönch. Er müsse trainiert werden, damit er nicht immer wegläuft. Das ist gar nicht so einfach. Am besten, wir sollten uns erst alles, was wir tun wollen, genau vorstellen, es dann ausführen und uns dabei bewusst beobachten, lehrt der Mönch. Steht auf, sammelt sich – und sofort fällt alle Geschäftigkeit von ihm ab. „Intending to walk“, wiederholt er dreimal mit hypnotischer Stimme. Steht still, die Hände über dem Bauch, stellt den Fuß hoch, hebt ihn an, geht einen Schritt in Zeitlupe, setzt erst die Zehen ab, dann den Fuß. So wandert er vorneweg, wir in Zeitlupe hinterher, genauso wie beim Drehen, beim Atmen. Immer wieder geht mein Geist auf Reisen und denkt munter drauflos, immer wieder pfeife ich ihn zurück. Aber nach einer halben Stunde sind wir alle vollkommen ruhig und bei uns. Jetzt, sagt der Mönch, sei unser Geist beim Körper. Ein Schritt zum Glücklichsein.

Die Offenbarung ist das Chiva Som Resort, das mit den besten Spas in der Welt konkurriert. Aber was heißt hier Spa: Das Chiva Som ist Beautyfarm, Gesundheitszentrum und Kurbetreib in einem, mit angeschlossenem Hotel. Diskret versteckt sich dieser Jungbrunnen hinter einem tropischen Park am Strand von Hua Hin, dem ältesten Seebad Thailands und des Königs Sommerresidenz zwei Autostunden von Bangkok entfernt. Pavillons in zurückhaltender Eleganz ruhen verstreut im Garten, neben Wasserfällen, an Lagunen. Auf ein Zimmer kommen 3,54 Angestellte. Ehrfurcht einflößend ist die Stille. Kein Geprotze, kein Schwelgen. Handys sind tabu, Alkohol wird erst abends ausgeschenkt, rauchen bitte nur an der Poolbar. Drei-Nächte-Sonderangebot 980 Dollar, mit Vollpension, Aktivitätsprogramm und Anwendungen. 80 stehen zur Auswahl. Ich als Normalsterbliche habe ein Tagespaket für 160 Euro inklusive eines fettlosen Gesundheits-Lunchs gebucht, steige aus dem Elektroauto und halte Ausschau nach Promis, Top-Models und Stars. Die sollen sich hier zuhauf erholen. Aber ungeschminkt, in Badelatschen und Kimonos sehen alle so gleich aus. Schnell vergessen, als Therapeutin Mae die 62 Druckpunkte meiner Fußsohlen bearbeitet, die Füße rubbelt, streckt und mir dann kopfwiegend die Diagnose stellt: Nix Schlimmes. Aber der ganze Rücken stehe unter Spannung, im Bauch sei zu viel Luft. Am Nachmittag zerfließe ich in meinem privaten Dampfbad nach Abhyanga, einer entstressenden Ayurveda-Rückenmassage. Und bei der Chi-Nei-Tsang-Bauchmassage taiwanischen Ursprungs, die negative Gefühle vertreibt, fällt mir nur noch dieser eine Satz von Mae ein: „Ich kann spüren, dass sich in dir schon ein paar Blockaden gelockert haben“.