UN-Häftlinge stellen sich zur Wahl

Die wegen Kriegsverbrechen angeklagten Häftlinge des UNO-Tribunals in Den Haag, Slobodan Milošević und Vojislav Šešelj, sind Spitzenkandidaten der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS) und der Radikalen Partei (SRS). Aus ihren Gefängniszellen leiten sie die Wahlkampagnen ihrer Parteien. Laut Meinungsumfragen wird Šešeljs SRS die stärkste Partei in Serbien.

Die Sozialistische Volkspartei setzte den ebenfalls wegen Kriegsverbrechen angeklagten jugoslawischen Exgeneralstabschef Nebojsa Pavković auf ihre Wahlliste. Auch der Innenminister der proeuropäischen serbischen Regierung, Dusan Mihajlović, nahm den wegen Kriegsverbrechen vom UNO-Tribunal gesuchten amtierenden Polizeichef demonstrativ in seine Liberale Partei auf. Das zeugt von der Stimmung im Land.

In Serbien herrscht eine allgemeine politische und institutionelle Krise. Das Land hat keinen Präsidenten, keine Verfassung, die Regierung ist zurückgetreten. Die Staatengemeinschaft mit Montenegro ist ebenso ungewiss, wie der Status des mehrheitlich von Albanern bewohnten, für die Unabhängigkeit kämpfenden Kosovo. Die Macht liegt sozusagen auf der Straße, und es ist fragwürdig, wer – und ob überhaupt jemand – Polizei und Streitkräfte unter Kontrolle hat.

Die soziale Lage ist katastrophal, rund fünfzig Prozent der Serben sind arbeitslos, und die Privatisierung fordert immer mehr Entlassungen. Ein soziales Netz ist kaum vorhanden. Die politische und rechtliche Ungewissheit schreckt Investoren aus dem Ausland ab. Sie wollen erst einmal den Ausgang der Wahlen am Sonntag bewerten. AI