Jukebox
Man singt deutsch

Die These: Die beste deutschsprachige Rockmusik wird gar nicht in Deutschland gemacht.

Das kann man jetzt mal ein paar Zeilen als Gedanken reifen lassen und sich zwischendurch überlegen, wie das Deutsche eigentlich klingt, wenn man der Sprache nicht wirklich mächtig ist. Dafür könnte man zum Beispiel einen Italiener bitten, etwas Deutsch zu äffen, und dann wird das nur so mit den Lauten zischen und schnalzen, dass es einem ganz bange werden muss. Angst. Vor dem Deutschen.

Tatsächlich ist das gar nicht so lange her, dass sich jede halbwegs anständige Rockband ernsthaft rechtfertigen musste, wenn sie partout muttersprachlich singen wollte, auf Deutsch. Das machte man einfach nicht, nicht im Westen. Während es im Osten eine Auszeichnung war, wenn eine verdiente Kapelle des Volkes ein Album mit in der internationalen Popsprache gesungenen Liedern veröffentlichen durfte, auf Englisch, in der DDR. Das sind nun aber wirklich alte Geschichten, und anderswo ist man sowieso unbefangener und gönnt sich das Deutsche gern mal als Exotik. Aktuell machten das die walisischen Indierocker Super Furry Animals, die auf ihrem neuen Album singen: „Neue Haltestelle, eins-zwei-drei, vergessen Sie Ihren Hut heut nicht!“ Dada-Sprech Deutsch.

Die beste deutschsprachige Rockmusik aber – die These – kommt aus dem tschechischen Raum. Dort ist es gar keine so große Besonderheit, wenn sich Undergroundbands immer wieder das Deutsche vorknöpfen, mit tollen Liedern wie „Der Offizier“ von Ser Un Peyjalero (Textprobe: „die Maus zog um in die Katze“) oder hier und da was von Iva Bittová und Pavel Fajt (auf Anfrage wird die Liste erweitert). Und ganz bestimmt das: ein fast unmerklich flirrender Ton, sacht aus dem Hintergrund kommendes Trommeln, eine delirierende Stimmung zwischen dem Zug ins Freie und einer klaustrophobischen Enge. Dazu der Text: „Nein / Ich werde nicht aufgeben / Aber / Am Frühstückstisch, wenn das Radio läuft / Und eine Stimme sagt / Wer verurteilt wurde und Jahre nennt / Im Ton des Alltäglichen / Und der Himmel blau ist / Ganz blau.“ Ein Gedicht von Jürgen Fuchs, dem Schriftsteller und DDR-Bürgerrechtler, musikalisch gefasst von Mikoláš Chadima, einer festen Größe der Prager Undergroundmusik, mit seiner MCH-Band, die überhaupt eine Menge Lieder auf Deutsch vorliegen hat.

Am morgigen Samstag spielt Chadima mit der MCH-Band anlässlich des zehnten Todestags von Jürgen Fuchs in der Böllstiftung. Bester deutscher Rock, er kommt aus Prag. THOMAS MAUCH

■ Böll-Stiftung, Schumannstraße 8 Samstag, 20 Uhr. Eintritt frei