Fußball-Fans an die Macht

Die Anhänger von Borussia Dortmund gründen eine eigene Fanabteilung in dem kriselnden Verein. Die Macher versprechen sich kürzere Wege zum Vorstand und bessere Basisarbeit mit den Fanclubs

VON KLAUS JANSEN

Fußball, Tischtennis, Handball – bislang war Borussia Dortmund ein Verein für Sportler. Seit gestern allerdings hat der BVB eine eigene Abteilung auch für Menschen, die körperliche Anstrengungen lieber von der Tribüne oder vom Fernsehsessel aus verfolgen: Die Fans. Nach einem Jahr sportlichen Misserfolgs und finanzieller Abenteuerlichkeiten wollen die Anhänger der Borussia nun mehr Einfluss in ihrem Verein gewinnen. „Wir wollen nicht nur meckern, auch mitgestalten“, sagt Andreas Aßmann, Initiator der gestern Abend gegründeten Abteilung.

Aßmann verspricht sich von der am Gründungstag etwa 200 Mitglieder starken Fanabteilung vor allem kürzere Wege zum neuen Vorstand um den frisch gewählten Präsidenten Reinhard Rauball. Der hatte nach seiner Wahl die Gründung erst möglich gemacht – Ex-Präsident Gerd Niebaum, der den Verein im November mit 118 Millionen Euro Schulden übergeben hat, stand dem Wunsch der Fans stets skeptisch gegenüber. „Man hatte wahrscheinlich Angst, dass dann Leute Einfluss gewinnen, die völlig Anti-Vorstand und Anti-Verein eingestellt sind“, vermutet Aßmann.

Als Speerspitze der Basis gegen die Vereinsführung will der 31-jährige Aßmann die neue Abteilung nicht verstanden wissen. „Verein und Fans gehören zusammen“, sagt er. Langfristig hofft er auf mehr Mitsprache für Fans in den Führungsgremien. „Management-Fehler wie der Stadionverkauf dürfen nicht nochmal passieren. Kontrolle ist aber erst einmal Sache des Aufsichtsrats“, sagt Aßmann. Die Fanvertretung soll sich vor allem um Fanbelange kümmern: Regionalbeauftragte in Leipzig, Stuttgart und Hessen sollen Busfahrten zu Auswärtsspielen organisieren und als Ansprechpartner bei Ticketfragen helfen.

Bislang sei die Fanbetreuung beim BVB zu kurz gekommen, findet Aßmann. Mit den BVB-Heroen Aki Schmidt und dem mittlerweile verstorbenen Lothar Emmerich habe es zwar prominente Fanbeauftragte gegeben, „aber in deren Alter fahren die nicht mehr mit dem Bus nach Rostock und stellen sich in den Gästeblock.“ Bei Problemen mit der Polizei oder der Stadion-Security hätten den BVB-Fans oft Ansprechpartner gefehlt, sagt Aßmann, der seit 11 Jahren jedes Auswärtsspiel besucht.

Das Vorbild der Borussia-Initiative liegt im Norden Deutschlands: Der 1993 als erste Fan-Organisation unter dem Dach eines Profi-Vereins gegründete HSV-Supporters-Club. Einen Namen gemacht hat sich die 15.700 Mitglieder starke Abteilung beim Umbau des alten Hamburger Volksparkstadions in die AOL-Arena. Im neuen Hochglanz-Stadion setzten die Fans den Erhalt einer Stehplatztribüne durch und verhinderten mit einer Unterschriften-Aktion, dass die Sitzreihen mit bunten Stühlen ausgestattet wurden. „Die hätten ausgesehen wie Smarties. Da geht man auch einen Konflikt mit dem Vorstand ein“, sagt Lutz Ackermann, Fanbeauftragter des HSV.

Neben Dortmund und Hamburg ist die Frankfurter Eintracht der einzige Profiverein, der eine eigene Fanabteilung unterhält. Die Fans der meisten anderen Clubs bevorzugen zumindest organisatorische Unabhängigkeit von ihrem Verein. So sind beispielsweise die Anhänger des Doch-Nicht-Herbstmeisters Schalke 04 in einem Dachverband der Fan-Clubs zusammen geschlossen, der dem Verein formell nicht unterstellt ist. „Wir sind trotzdem der erste Ansprechpartner des Vorstands“, sagt Dachverbandssprecher Didi Dahmen. Dessen Vorsitzender Rolf Rojek hat sogar einen festen Sitz im Schalke-Aufsichtsrat. „So kriegen wir die Zahlen bei jedem Transfer und jeder Entscheidung ohnehin auf den Tisch“, sagt Dahmen. Schlechter als der Konkurrent aus Dortmund sei man nicht aufgestellt, versichert Dahmen. „Wir arbeiten seit 25 Jahren mit dem Verein zusammen. Es ist belustigend, dass die da drüben erst jetzt auf die Idee kommen,“ sagt er. Als Schalker muss er das wohl.