„Haben Sie schon gewählt?“

Sie ist eine Mensa wie jede andere: Studierende werden in Massen abgefüttert, es gibt die Wahl zwischen Essen I und Essen II und die Schälchen dürfen wegen der Spülstraße nicht gestapelt werden. Und doch: Wahre Fans der Osnabrücker Schlossmensa halten sie für etwas ganz Besonderes

aus Osnabrück Jennifer Neufend

Langsam schieben sich orangefarbene und graue Tabletts vorbei an Tellern und Schälchen mit bunten Gerichten – Kartoffeln, Reis, Crazy Chips, Brokkoli, Spinat, Vichy Karotten, Salat, Schnitzel, Sauerkraut-Kartoffel-Auflauf, Coq au Vin, Quark mit Kirschen, Windbeutel. Hände greifen nach Essen und verteilen Schalen und Teller auf den Tabletts. Ein angenehmer Duft von Gekochtem und Gebratenem liegt in der Mensaluft. Vorbei an der großen Salatbar führt der Weg zur Kasse. Mit einem Lächeln im Gesicht sagt die Kassiererin: „Zwei Euro und dreißig, bitte.“

Mutter Mensa hat ihre Tore geöffnet. Zwischen 11.45 und 14.15 Uhr strömen die Studierenden in zwei Schlangen die Treppe hoch. An zwei Ausgaben stehen die leckeren Gerichte bereit. Eine kleine Infotafel informiert in farbiger Schrift, dass Pommes-Olaf gerade im Urlaub ist, und welche Köchin für die Nachspeisen zuständig ist. „Wir wünschen unseren Gästen eine angenehme Woche!“ Die Mensa Schlossgarten in Osnabrück: Wie bei Muttern, nur um Klassen besser.

„Wir haben permanent ein ausgewogenes, gesundes Angebot“, doziert Gernot Tietze, der Leiter der Wirtschaftsbetriebe des Osnabrücker Studentenwerks. Mehr noch: „Hinter dem Ganzen steht eine Küchenphilosophie.“ Im Jahr 1983 ist die Schlossmensa der Universität Osnabrück in Betrieb genommen worden. Von vornherein habe sie Einzelkomponenten bereitet. „Das ist eine Besonderheit“, sagt Tietze. Jeder kann sein Essen zusammenstellen. Es gibt keine festen Menüs. Frische Ware und die günstigste Garart, darauf achten die Köche. Während die Mensa geöffnet ist, werden die Gerichte durchgängig frisch produziert. „Wir betrachten die Studierenden als unsere Gäste“, sagt Tietze. Um die Gäste kümmern sich täglich 40 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Die „Philosophie“ wurde auch den Architekten des Gebäudes mit auf den Weg gegeben: Große Fenster lassen das Sonnenlicht auf die Tische fallen. Gemütlichkeit strahlen der dunkle Parkettboden und die Deckenkonstruktion aus Holz aus. Auch wenn einige Tausend Mensagäste täglich an den Tischen mampfen und reden, werden sie nicht vom Geräuschpegel erschlagen. Mutter Mensa ist eine warme, große Höhle. Nichts erinnert hier an eine Kantine.

Da der tägliche Besuch der Mensa eben nicht nur der Nahrungsaufnahme dient, sondern auch der Ort der Entspannung zwischen den Seminaren ist, ist es für eine Fünfergruppe nicht leicht, zusammen einen Platz zu ergattern. Auf zwei Ebenen löffeln, schneiden, quatschen und trinken die Studierenden. Es sieht nicht so aus, als finden die fünf heute zusammen einen Platz. Halt! Dort ist ihr Tisch, die sechs Jungs haben dort eigentlich nichts mehr verloren, die Teller sind leer. Wenn sie sich nicht beeilen, muss man halt drängeln. Irgendwann bequemen sie sich weiter.

„Habt ihr schon gewählt?“, fragt jemand am Tisch, bevor er einen Löffel Kartoffelpüree in den Mund schiebt. „Na klar!“ Bis zum 15. Dezember können Deutschlands Studierende bei dem Hochschulmagazin Unicum wieder ihre Stimme für die Mensa des Jahres abgeben. Wartezeit, Auswahl, Service, Atmosphäre und Geschmack werden bewertet. Eine eins bedeutet „Mensa non grata“, eine Fünf „Mensa cum laude“. „Schlossmensa Osnabrück cum laude“ – daran gibt es hier keinen Zweifel.

„Ich weiß nicht, ob die Konkurrenz groß ist“, meint Tietze. „Aber es tut immer gut, wenn man vorne steht und die Gäste unsere Arbeit honorieren.“ Das Gerücht geht um, dass in der Mensa in Oldenburg der NDR-Fernsehkoch Rainer Sass für die dortigen Gäste ein Essen kredenzt habe. Tietze ist davon wenig beeindruckt: „Von Strohfeuern halte ich nicht viel.“ Die Mensa Osnabrück wolle durchgängig gut sein, und es gebe das ganze Jahr über besondere Aktionen. Einmal kocht ein afrikanischer Koch Leckereien seines Kontinents, ein anderes Mal gibt es bayrische Spezialitäten. Im Jahr 2001 wurde die Schlossmensa Osnabrück deutschlandweit zur Mensa des Jahres gekürt. Seitdem hängt ein goldenes Tablett an der Wand hinter der Essensausgabe. 2002 belegte sie in der Gesamtwertung den zweiten Platz hinter der Mensa Vechta, die ebenfalls zum Studentenwerk Osnabrück gehört. Vom fünften Platz, auf dem die Mensa Schlossgarten im letzten Jahr landete, will sie nun wieder ganz nach oben.

Am Tisch der Fünfergruppe sind nun alle Teller und Schälchen leer. Die Schälchen dürfen nicht gestapelt werden, das gibt Probleme mit der Spülstraße – und dem Personal. Kurz bevor die Tabletts auf das grüne Förderband, das in den Spülraum führt, gelegt werden können, müssen Servietten und Pappbecher in die Eimer für Biomüll entsorgt werden. Neuerdings steht dort auch eine Wahlurne. Die Studierenden werden gebeten, ihre Kreuzchen für die Mensa Schlossgarten zu machen. Eine Studentin aus der Fünfergruppe gibt nun ihre Bewertung ab. Die Frau, die sich um das dreckige Geschirr kümmert, lächelt.