was der bvg noch fehlt
: Ferngläser mit Metro-Logo und Basisdemokratie in Bussen

Es ist nicht so schlimm, dass die BVG über ihr neues Metro-Konzept so wenig ausreichend informiert hat. Schlimm ist aber, wie das Verkehrsunternehmen vor dem Start der neuen Metrolinie plötzlich doch noch zu informieren anfing, auf halsbrecherische und lebensgefährliche Art und Weise. Die Zahl vermeintlicher Schienenselbstmorde könnte sich in nächster Zeit drastisch erhöhen. Tatsächlich würde es sich aber eher um Unfälle mit Personenschaden handeln, mit der Betonung auf Unfall. Und das kommt so:

Die BVG hat flächendeckend Streckennetzpläne plakatiert. Berlin sieht darauf plötzlich sehr groß aus, die Metrostationen sind dagegen sehr klein. So klein, dass sich der Betrachter, hat er gerade kein Fernglas zur Hand, durchaus genötigt fühlen könnte, ein bisschen näher an dieses Plakat heranzutreten. Einen Schritt vielleicht. Noch einen.

Nun liegen zwischen dem interessierten Fahrgast und der Plakatwand aber ein paar Schienen. Voll Informationsdurst schreitet der Betrachter weiter voran. Plötzlich gibt der Boden unter den Füßen nach. Er stürzt ins Gleisbett hinab. Und dann: vrrrrrrrroooooooom. Nicht auszudenken.

Es gibt nun ein paar Möglichkeiten, das Schlimmste zu verhindern: Ferngläser mit Metro-Logo in der Metro verteilen, Riesenlupen vor den Streckennetzplänen anbringen, oder Warnschriftzüge über die Plakate kleben: „Kommen Sie nicht zu nahe!“ Oder: „Achtung, Schienen!“ Ein bisschen schade ist das schon, hatte die BVG doch endlich einmal kundenfreundlich sein wollen. Nun entsteht zwar eine gewisse Kundennähe. Allerdings nur zu dem Plakat und stets verbunden mit hoher Lebensgefahr.

Trotzdem fahren jetzt immerhin manche Buslinien öfter, solche, die vom Kunden gern genutzt werden. Das ist schon ganz schön basisdemokratisch, schließlich hat die BVG die Fahrgäste sogar gefragt, welche Busse wie fahren sollen.

Wirkliche Basisdemokratie müsste sich aber noch etwas radikaler geben. Künftig könnten die Kunden beispielsweise spontan bestimmen, wohin ein Bus fährt. Per Handzeichen vielleicht. Oder noch besser: Der Fahrschein wird zum Wahlschein, auf dem das Wunschziel angegeben werden kann. Und der Busfahrer richtet sich einfach nach den Mehrheitsverhältnissen in der Passagierbesatzung. Auf diese Weise lernen die Fahrgäste Demokratie ganz neu erleben. Da mobilisiert man am Morgen am besten erst mal ein paar Kumpels, dass man auch rechtzeitig zur Arbeit kommt.

Mit diesem zugegebenermaßen moderat anarchistischen Modell wäre zwar die Planbarkeit dahin. Unter Umständen aber würde sich der Verkehr auch ganz gut selbst regeln. Auf die Abfahrtszeiten von Bussen jedenfalls ist auch unter weniger anarchodemokratischen Bedingungen nicht unbedingt Verlass.

JOHANNES GERNERT