Ringen um Wahllisten im Irak

Das schiitische Bündnis für die Wahlen im Januar, die „Vereinte Irakische Allianz“, steht. Der radikale Prediger al-Sadr ist bislang nicht dabei. Doch trotz des Namens wird keine Brücke über die ethnischen und religiösen Gräben hinweg gespannt

AUS ARBIL INGA ROGG

Noch dauert das Feilschen um die endgültigen Kandidatenlisten für die am 30. Januar geplanten Wahlen im Irak an. Doch es zeichnet sich bereits ab, dass keine der aussichtsreichen Listen eine Brücke über die ethnischen und religiösen Gräben im Zweistromland spannen wird.

Als bislang größtes Bündnis hat Ende vergangener Woche die „Vereinte Irakische Allianz“ seine Kandidatur bekannt gegeben. Anders als der Name suggeriert, hat die Liste aber keine Strahlkraft auf das ganze Land. Vielmehr ist sie in erster Linie ein schiitischer Zusammenschluss, allen voran der Dawa-Partei von Ibrahim Jaaferi und des Hohen Rats für die Islamische Revolution (Sciri) unter Abdul Asis Hakim. Mit von der Partie sind auch die Irakische Hisbollah eines im Südosten des Landes legendären Guerillakämpfers und der Irakische Nationalkongress des ehemaligen Pentagonfavoriten Ahmed Chalabi. Darüber hinaus finden sich unter den 228 Kandidaten eine Reihe Unabhängiger, wie der ehemalige Atomphysiker Hussein Schahristani, der von der UNO seinerzeit für den Posten des Interimspremierministers favorisiert wurde.

Sechs Wochen lang hat eine von Großajatollah Ali Sistani eingesetzte Kommission um die Zusammensetzung der „Allianz“-Liste gerungen. Dass auch Turkmenen, Kurden und sunnitische Stammesscheichs auf der Liste kandidieren, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich hinter der „Allianz“ in erster Linie ein schiitisches Bündnis verbirgt. Zumal es unter Turkmenen und Kurden eine große Minderheit von Schiiten gibt.

Überraschend hat sich der militante Prediger Moktada al-Sadr dem Bündnis aber nicht angeschlossen. Mitglieder der Kommission hatten in den vergangenen Wochen immer wieder durchsickern lassen, al-Sadr habe sich für eine Teilnahme an den Wahlen und damit am künftigen politischen Prozess entschlossen. So einfach will es der Unruhestifter seinen Konkurrenten aber offenbar nicht machen. Zwar sind unter den Kandidaten auch Anhänger von al-Sadr, er selbst hält sich freilich weiterhin alle Möglichkeiten offen. Einmal erklären seine Sprecher, er unterstütze die Liste, ein anderes Mal heißt es, er schließe einen Wahlboykott nicht aus.

Sollten seine Anhänger zum Boykott aufrufen, wäre dies ein weiterer Affront gegen Sistani, der Wahlbeteiligung zur religiösen Pflicht erklärt hat. Denn damit würde die Wahl auch in den Augen von Teilen der Schiiten an Glaubwürdigkeit verlieren.

Ähnlich ambivalent wie al-Sadr verhalten sich auch eine Reihe von sunnitischen Vertretern. So hat die Irakische Islamische Partei von Muhsin Abdul Hamid inzwischen eine komplette Liste mit 275 Kandidaten, also für alle zu vergebenden Parlamentssitze, eingereicht. Gleichzeitig machen sich Abdul Hamid wie auch einige kleinere Parteien weiterhin für eine Verschiebung der Wahlen stark. Mit einer eigenen Kandidatenliste wird auch die Kommunistische Partei (KP) ins Rennen gehen. Obwohl die KP den Glanz vergangener Tage längst verloren hat, könnte sie vor allem unter den säkular eingestellten Schiiten Stimmen holen. Zu ihrer Enttäuschung haben die Kurden dem KP-Vorschlag einer gemeinsamen Liste eine Absage erteilt. Stattdessen werden die Kurden mit einer reinen Kurdistan-Liste in den Wahlkampf ziehen, der am 15. Dezember beginnen soll. Neben den führenden kurdischen Parteien werden darauf auch einige Christen, Turkmenen und sunnitische Stammesscheichs aus den Gegenden von Kirkuk und Mossul kandidieren.

Dass die schiitische Liste einen großen Stimmenanteil holen wird, bezweifelt im Irak kaum jemand. Ob sie alleine regierungsfähig ist, scheint indes fraglich.