Kabila beginnt Offensive im Ostkongo

Zehntausende Menschen sind auf der Flucht vor zunehmenden Kämpfen in der Provinz Nordkivu. Die ruandischen Truppen, deren Kampf gegen Hutu-Milizen der Auslöser der kongolesischen Offensive war, sind schon wieder weg

MOMBASA taz ■ Der Friedensprozess in der Demokratischen Republik Kongo ist ein Kriegsprozess geworden. Zehntausende von Menschen sind seit dem Wochenende in der ostkongolesischen Provinz Nordkivu auf der Flucht vor neuen Kämpfen zwischen dem frisch entsandten Militär der Zentralregierung, der Armee der Provinz und lokalen Milizen. Die Provinz hat mit 700.000 bereits die höchste Vertriebenenzahl des Landes. Hilfswerke befürchten, dass es bald 200.000 mehr sein könnten.

Auslöser ist die von Kongos Präsident Joseph Kabila vor knapp zwei Wochen angekündigte Entsendung von 10.000 Soldaten in die Provinz, wo zuvor Ruanda einen Militärschlag gegen Basen ruandischer Hutu-Milizen begonnen hatte. Ruandas Truppen ziehen inzwischen wieder ab, aber Kabilas Soldaten sind jetzt erst im Anmarsch. Ende November im Norden der Provinz gelandet, rücken sie jetzt nach Süden vor, in Richtung des an Ruanda angrenzenden Teils von Nordkivu um die Provinzhauptstadt Goma. Dort ist die Mehrheit der 500.000 Einwohner ruandischer Herkunft und es häufen sich Demonstrationen gegen Kabilas Truppen.

Am Wochenende nahmen die Kabila-Soldaten die Stadt Kanyabayonga ein, rund 150 Kilometer nördlich von Goma mit rund 100.000 Einwohnern, darunter zahlreiche Flüchtlinge. Dem gingen Rundfunkberichten zufolge heftige Kämpfe mit lokalen Truppen voraus. Die meisten Bewohner der Stadt ergriffen die Flucht. Weitere Kämpfe wurden aus der Region Minova, rund 35 Kilometer südwestlich von Goma, gemeldet. Hier sind diverse ethnische Milizen miteinander im Konflikt, die neuerdings über schwere Waffen verfügen. Flüchtlinge berichteten, ihre gesamte Habe sei geplündert und die Personalausweise seien zerrissen worden.

Die neuen Kabila-Truppen im Norden der Provinz bestehen einigen Berichten zufolge zum Teil aus Portugiesisch sprechenden Spezialtruppen, die aus Angola stammen könnten. Eigentlich zum Kampf gegen Ruanda entsandt, sollen die neuen Soldaten jetzt offenbar einen Umsturz durchführen, in einer Provinz, in der anders als sonst wo im Kongo noch immer die gleichen Machthaber wie zu Zeiten des 2003 formell beendeten Krieges herrschen. Verwaltung und Militärführung in Nordkivus Hauptstadt Goma werden von Angehörigen der ruandischstämmigen Bevölkerungsmehrheit geführt, die zu Kriegszeiten Teil der pro-ruandischen Rebellion des Ostkongo waren. Sie sind zwar im Rahmen des Friedensprozesses in ihren Ämtern bestätigt worden, aber Hardliner um Kabila sehen sie immer noch als Rebellen an und fordern seit Monaten die militärische „Befreiung“ Gomas.

Umgekehrt fürchten Gomas Bewohner, dass eine solche „Befreiung“ massive Gewalt mit sich bringen würde – in Ostkongos anderer Provinzhauptstadt Bukavu führte die Eroberung durch Kabila-Truppen im Juni zur Vertreibung sämtlicher ruandischstämmiger Bewohner. Am Montag letzter Woche besetzten Soldaten in Goma vorsichtshalber schon einmal den Flughafen, um eine Truppenlandung aus Kinshasa zu verhindern. Der ruandischstämmige Militärkommandant von Goma, General Obed, wird bereits seit mehreren Wochen in Kinshasa festgehalten, sodass ein Teil des Machtwechsels bereits vollzogen ist. Im Namen der geplanten Bildung einer geeinten kongolesischen Armee verlegt Kinshasa außerdem Soldaten aus Goma in den Westen des Landes, wo sie neu ausgebildet werden sollen; mehrere 100 ruandischstämmige Soldaten haben sich dem verweigert, weil sie Angst haben, massakriert zu werden, wie es in der Vergangenheit schon einmal vorgekommen ist. Mit ihrer Weigerung aber treten sie faktisch in den Aufstand und geben Kabila noch einen Grund, sie zu bekämpfen. Soldaten, die anderen Ethnien angehören, haben bereits begonnen, sich Befehlen ruandischstämmiger Offiziere zu widersetzen. DOMINIC JOHNSON