Alles ein bisschen verrückt

Søren Colding ist der Dauerläufer beim VfL Bochum. Seit dem Aufstieg hat der Däne kein Spiel verpasst. Mit der taz sprach er über verrückte Kollegen, Krisen und seine Rolle bei Transfers

INTERVIEW: HOLGER PAULER

taz: Søren Colding, der VfL Bochum überwintert in der Bundesliga auf Platz fünf. Ist die Mannschaft so stark oder die Liga so schwach?

Søren Colding: Wir sind so stark. Allerdings sollten wir nicht abheben. Unser Ziel bleibt der achte Platz.

Was macht den VfL so stark?

Es fing damit an, dass unser Trainer Peter Neururer nach seinem Amtsantritt das System auf das offensive 4-3-3 umgestellt hat. Seitdem ging es permanent aufwärts.

In der letztjährigen Rückrunde rutschte das Team aber bedenklich Richtung Abstiegsplätze.

Wir hatten viele Ausfälle. Zeitweise fehlten sechs Stammspieler. Jeder weiß, der VfL hat wenig Geld, wir können uns keinen großen Kader leisten. Als die Spieler wieder zurückkamen, haben wir kein Spiel mehr verloren. Am Ende waren wir neunter. Die überstandene Krise war sehr wichtig für unser Selbstbewusstsein. Wir wussten: Uns kann nichts aus der Bahn werfen.

Viele glaubten, dass der VfL Bochum in diesem Jahr gegen den Abstieg spielt. Torjäger Thomas Christiansen wurde verkauft, die Euphorie des Aufstiegs fehlt.

Die Stimmung in der Mannschaft ist immer noch gut. Sie erinnert mich an Brøndby oder an die dänische Nationalmannschaft. Alles ist etwas lockerer. Außerdem haben wir uns verstärkt. Thomas Zdebel, Philipp Bönig und Peter Madsen sind Stammspieler. Die Jungens sind so verrückt, da muss sich niemand sorgen.

Sie haben in dieser Saison alle Spiele mitgemacht und auch in der letzten Saison sind Sie immer aufgelaufen. Sind Sie immun gegen Krankheiten und Verletzungen?

Ich bin Abwehrspieler, da ist das Spiel immer vor mir. Die bösen Tritte und Grätschen von hinten bekomme andere ab. Außerdem braucht man ein wenig Glück. Demnächst wird es schwieriger, wenn die Doppelbelastung durch den UEFA-Cup dazukommt (Er lacht).

Ihr Trainer sagt, dass er viel Wert darauf legt, die Spieler im Training nicht zu überlasten.

Das Training ist schon hart. Wir machen viel mit dem Ball, wenig Krafttraining. Mir reicht es auch so.

Als Sie Anfang 2001 zum VfL kamen, stand das Team auf einen Abstiegsplatz. Nach einer katastrophalen Rückrunde folgte der Abstieg. Haben Sie damals nicht gedacht: „Wo bin ich denn hier gelandet?“

Mein Ziel war immer, in der Bundesliga zu spielen. Ich hatte damals das Angebot aus Bochum und bin trotz der schlechten Situation gewechselt. Ich wusste, dass der VfL ja immer wieder aufsteigt.

Was ist das Besondere an der Bundesliga?

Der Spielaufbau aus der Defensive kommt mir entgegen.

Sie haben die meisten Ballkontakte und spielen die meisten langen Pässe der Liga, klingt eher britisch...

...klingt erfolgreich.

Können Sie sich trotzdem vorstellen, zu wechseln?

Ich habe noch einen Vertrag bis 2005. In dem Jahr kommen meine Zwillinge in Schule. Dann muss ich mich entscheiden: Dänemark oder Deutschland. Wenn ich mich für Deutschland entscheide, dann für Bochum.

Seit Sie zum VfL gewechselt sind, gibt es eine dänische Invasion. Graulund, Madsen, Christiansen und zur kommenden Saison wurde mit Tommy Bechmann das größte Talent des dänischen Fußballs verpflichtet.

Sicher bin ich daran nicht unschuldig. Ich erzähle den Leuten, dass der Trainer, dass alles ein bisschen verrückt ist. Das mögen die Dänen. Außerdem erzähle ich, dass die Atmosphäre im Stadion sehr sympathisch ist, sehr familiär, wie bei Brønby. Nicht so überdreht wie bei den großen Nachbarn aus Schalke oder Dortmund.

Werden Sie angesichts der Zuschauerzahlen nicht neidisch?

Die Fans wissen, was sie erwartet. Bochum kann keine Stars verpflichten und das will hier auch keiner sehen. Wir müssen versuchen, mit wenig Möglichkeiten viel zu erreichen. Das gelingt uns besser als den Nachbarn.

Frank Fahrenhorst wechselt trotzdem nach Bremen.

Das ist sehr schade, aber für ihn ist es eine einmalige Chance. Dass er Profi genug ist, bis zum letzten Spiel alles für den VfL zu geben, hat er gezeigt.

Peter Neururer hat Sie kürzlich für die dänische Nationalmannschaft ins Gespräch gebracht. Hoffen Sie auf die EM in Portugal?

Peter Madsen muss dort die Bochumer Farben allein vertreten. Und Paul Freier noch, aber der spielt ja auf der anderen Seite. Ich schaue mir das lieber am Fernseher an.

Schwer vorstellbar, immerhin standen Sie bei der WM 1998 im Viertelfinale gegen Ronaldos Brasilien und haben nur sehr unglücklich [2:3] verloren. Es muss Sie doch reizen.

Sicher war das schön und ich weiß bis heute noch nicht, wie wir dieses Spiel verlieren konnten. Aber im Achtelfinale haben wir vorher Nigeria mit Sunday Oliseh besiegt. Er glaubt bis heute, dass es unverdient war.