das wird das jahr, das wird
: Bärte, alte Herren und der Stopfer

Die Großereignisse im Berliner Sport im Jahr 2004 und ihr voraussichtlicher Ausgang

31. Januar: Hertha BSC startet als Tabellensiebzehnter in die Rückrunde der Fußballbundesliga, gegen Werder Bremen. Der neue Trainer Hans Meyer lässt auf einer Pressekonferenz verlauten, die Chancen auf den Klassenerhalt stünden bei 67,64 Prozent. Auf mehrmalige Nachfrage korrigiert er seine Prognose erst auf 79,91, um dann Sekunden später auf 33,33 Prozent umzuschwenken. Da seine Schätzung als Provokation missverstanden wird, kommt es zu Tumulten, die Manager Dieter Hoeneß nur mit dem Versprechen abbiegen kann, Trainer Meyer werde demnächst die Zahlen hinterm Komma weglassen. Hertha BSC verliert in Bremen 0:4.

29. Februar: Der 1. FC Union steht am Tabellenende der zweiten Liga. Trainer Mirko Votava deutet den Besitz der roten Laterne geschickt um. Er macht dem Vereinspräsidenten Jürgen Schlebrowski weis, die Leuchte sei ein antikes Sammlerstück und mache sich hervorragend über Unions Wimpelsammlung, die nun in herrliches Rotlicht getaucht sei. Schlebrowski rückt daraufhin ab vom schnöden Leistungsgedanken, erklärt den Abstieg als programmatische Aufgabe und gibt Votava einen Vertrag auf Lebenszeit.

14. März: Union-Trainer Votava entlässt die Lizenzspieler und holt stattdessen die Altherrenmannschaft von Werder Bremen, wo er als einst als Bundesligaprofi kickte, in die Alte Försterei. Die alten Herren schlagen Unterhaching überraschend mit 5:1.

20. März: Hertha-Trainer Meyer hat seine helle Freude daran, die Hauptstädter mit komplizierten Wurzelziehungen und Wahrscheinlichkeitsrechnungen zur Weißglut zu treiben. Ein wackeres Grüppchen Fans indes liebt seinen Meyer. In Ergebenheit und tiefer Dankbarkeit für Meyers kauziges Charisma, das nach der Huub-Stevens’schen Dürreperiode treffliche Unterhaltung garantiert, beginnen sie eine entschlackende Meyer-Kur – eine Erfindung des ostdeutschen Übungsleiters, mit der er einst die Kicker von Carl Zeiss Jena und Rot-Weiß Erfurt zu Höchstleistungen trieb. Das Team von Hertha BSC schließt sich der diätischen Maßnahme an und will erst dann aufhören, wenn der erste Sieg eingefahren ist. Gegen Bayern München reicht es vorerst nur zur Tordiät auf beiden Seiten: 0:0.

21. März: Unions alte Herren gewinnen auch in Regensburg: diesmal nur mit 5:2.

28. März: Union schlägt Eintracht Trier 5:0. Präsident Schlebrowski trauert der Laterne nach, die er gern bei eBay versteigert hätte, bevor sie von der Liga wieder abgeholt worden ist.

28. März. Spitzenspiel in der Basketball-Bundesliga. Alba Berlin tritt gegen die Telekom Baskets Bonn an. Mirko Pesic, überwältigt vom letzten Erfolg gegen Karlsruhe (106:105 in der zweiten Verlängerung), überredet Coach Emir Mutapcic, nur mit vier Spielern anzufangen. „Da haben wir mehr Tiefe auf der Bank“, lautet sein Argument, „außerdem torpedieren wir das System der Bonner auf geradezu geniale Weise.“ Mutapcic, dem das Vorhaben irgendwie selbstmörderisch vorkommt, wagt keinen Widerspruch, weil Pesic, der das gebieterische Auftreten seines Vaters mit einem Schuss Großspurigkeit abgerundet hat, mittlerweile das Sagen im Verein hat. Alba tritt also in der Formation Rödl, Stanojevic, Best und Pesic an – und geht schon in der ersten Halbzeit jämmerlich unter.

4. April: Union gewinnt nach zwischenzeitlichen Vier-Tor-Rückstand in Bielefeld am Ende noch knapp mit 5:4.

5. April: Die Mitglieder von Union beschließen auf einer außerordentlichen Jahreshauptversammlung, die Vereinsführung zu stürzen und in der Kreisklasse, dritte Abteilung, einen neuen Anlauf zu starten. „Ganz ehrlich eisern“, schreiben sie auf ihre Fahnen. Ihr Präsident heißt nun wieder Heiner Bertram. „Ich freue mich über das Vertrauen“, lässt der einst Geschasste mitteilen.

10. April: Alba-Star Pesic hat eine neue Strategie. Im Spiel bei Würzburg stellt er das Werfen von außen komplett ein, versucht es unentwegt mit Dunkings, die aber allesamt ein gefundenes Fressen der Würzburger Defensive werden. Pesic sieht seinen Fehler ein. „Okay“, sagt er, „ich werde nicht mehr stopfen.“ Überrascht von so viel Entgegenkommen lässt Mutapcic zeitweise nur mit drei Mann spielen.

17. April: Im letzten Drittel in Hagen versucht Pesic die Schiedsrichter zu überreden, den „Rekordmeister aus der deutschen Hauptstadt“, wie er anführt, in Überzahl spielen zu lassen. Als sich die Referees als nicht gefügig erweisen, droht Pesic mit einer einstweiligen Verfügung. Die Schiedsrichter brechen das Match ab. Pesic wütet. Mutapcic verspricht: „Keine Experimente mehr.“

1. Mai: Bart Goor verweigert sich der anhaltenden Gruppendiät bei Hertha und lässt sich trotzig einen Bart wachsen. Gabor Kiraly und Dick van Burik schließen sich an. In Schalke erkämpfen die Hungerkünstler ein 0:0.

3. Mai. German Open im Tennis. Anna Kournikowa gewinnt das Turnier. Auf dem Center Court nimmt aber kaum einer Notiz vom Spiel der Russin. Der Playboy hat Gratisexemplare an alle Finalbesucher verteilt. Auf Rubbelbildern können sie die unverhüllte Profispielerin freilegen. Kournikowa, geschockt vom einseitigen Interesse an ihrer Person, hängt den Schläger ein für alle Mal an den Nagel und meidet fortan „das notgeile deutsche Publikum“, wie sie sich bitterlich empört.

22. Mai: In der letzten Spielminute gegen den 1. FC Köln stolpert Goor über seinen Bart und verlängert versehentlich eine Flanke zum 1:0. Hertha wird 15. und bleibt in der Bundesliga. Meyer wird Rosenzüchter im Botanischen Garten, abrufbereit für Krisenfälle aller Art, die zu 84,16 Prozent eintreffen werden.

4. Juni. Deutsche Meisterschaften im Schwimmen. Franziska van Almsick gibt die endgültige Trennung von Handballer Stefan Kretzschmar bekannt. Der ist ebenfalls am Beckenrand zugegen und von der Nachricht dermaßen überrascht, dass er sich augenblicklich ins Chlorwasser stürzt, um das Franzi-Tattoo von seiner Wade zu waschen. Vergeblich.

5. Juni: Kretzschmar kündigt an, eine Hauttransplantation vornehmen zu lassen.

6. Juni: Franzi erklärt sich aus Reue bereit, ein Stückchen vom Po zu spenden.

4. Juli. Buddenbrock-Rennen der Traber in Mariendorf. Ein alter Klepper namens „Mannomann“ gewinnt. Stargast Günter Grass erzielt die Traumquote von 980 für 10. Er verspricht, dem Hengst ein Stückchen Prosa zu widmen. Arbeitstitel: „Ich, Mann und Mannomann“.

9. August: Weil die Wunde schlecht verheilt, verpasst Franzi Olympia in Athen. „Tja, das hätte sie vorher wissen müssen“, sagt Kretzschmar. MARKUS VÖLKER