toiletten u. a.
: Gutes Geschäft am Reichstag

Niemals würde es unseren Freunden in aller Welt in den Sinn kommen, vor ihren Parlamentspalästen Klohäuschen in Festbauweise aufzustellen. Im patriotischen Bush-Washington käme das derzeit einer terroristischen Aktion gleich, in Peking wäre dies ein konterrevolutionäres Ansinnen und im wertkonservativen London ist man schlichtweg „not amused“ über solcherlei Bedürfnisse. Dort reißt man sich in jeder Lage britisch-korrekt zusammen, vorbildlich wie Queen E. nach dem Tod ihres Lieblingshundes. Nur in Berlin geht sowas, im typischen Berlin, der Hauptstadt des Café-Achteck. Chapeau für derartiges Fingerspitzengefühl.

KOMMENTAR VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Nun ist aus praktischen Gründen nichts einzuwenden gegen den Pinkelpavillon vor der Reichstagskuppel. Wer jemals in der langen Schlange vor dem Parlament anstand und Bierbäuche bis hin zu Omas mit Topfhütchen im Tiergarten verschwinden sah, als die Blase drückte, muss dies als Verbesserung der Situation im Allgemeinen und Besonderen begreifen. Der Park wird nicht belastet, hat er doch mit der Love Parade schon genug zu tun. Strafmandate wegen Erregung öffentlicher Ärgernisses, etwa bei „Ernst-August-von-Hannover-Aktionen“ rund um die geplanten Mahnmale dort, bleiben aus. Auch die Atmosphäre unter den Wartenden wird dann lässiger sein, kann man doch sein Geschäft plus ’ne Currywurst drauf in Ruhe machen.

Chapeau auch für Bausenator Strieder in der Sache. Wie hat es der nur geschafft, vor einem nationalen Symbol, wo nicht mal Fußbälle den Rasen berühren dürfen und Baugenehmigungen 100 Jahre brauchen, den Flächennutzungsplan umzubiegen? Klohäuschen vor dem Reichstag genehmigt!, schallt es aus der Verwaltung, die sonst nur Bauruinen am Hals hat. Folgt nun ein Investorenwettbewerb? „Wer dort investiert, macht ein gutes Geschäft“, lockt doppeldeutig die Bauverwaltung. Dit is Berlin.