Barghuti zieht Kandidatur zurück

Es gibt kaum noch Zweifel am Wahlsieg des PLO-Chefs Mahmud Abbas, aber eine neue Debatte über Gefangene

JERUSALEM taz ■ Nachdem der inhaftierte Fatah-Generalsekretär Marwan Barghuti seine Kandidatur für das palästinensische Präsidentschaftsamt zurückgezogen hat, besteht kaum noch Zweifel daran, dass PLO-Chef Mahmud Abbas am 9. Januar die Wahlen für sich entscheiden wird.

Barghuti hatte am Sonntag 18 Bedingungen an die palästinensische Führung veröffentlichen lassen, darunter die Forderung, keine Vereinbarungen mit Israel zu treffen, bevor es keinen klaren zeitlichen Rahmen für die Entlassung aller palästinensischen Gefangenen gebe.

Abbas hatte, seines Sieges offenbar sicher, bereits vor einigen Wochen einen Gesprächstermin mit Israels Ministerpräsident Ariel Scharon unmittelbar im Anschluss an die Wahlen vereinbart. Einen ersten Dämpfer musste die dem Tod Jassir Arafats folgende nahöstliche Euphorie einstecken, als in der Nacht zu gestern fünf israelische Soldaten bei der gezielten Explosion eines Tunnels an der ägyptischen Grenze getötet wurden. Erst am Vortag hatte das Kabinett in Jerusalem über die Amnestie mehrerer hundert palästinensischer Häftlinge entschieden. Ein Ministerialrat, bestehend aus dem Außen-, dem Verteidigungs- und Justizminister sowie dem Minister für öffentliche Sicherheit, soll die Möglichkeiten einer Haftzeitverkürzung prüfen. Berichten der Tageszeitung Ha’aretz zufolge ist die Amnestie in der kommenden Woche zu erwarten. Sie ist offenbar Teil des Handels mit der ägyptischen Regierung, die in der vergangenen Woche den wegen Spionage verurteilten Israeli Asam Asam nach acht Jahren Haft begnadigt hatte. Für eine Amnestie nicht zur Debatte stehen, entsprechend der im Juli letzten Jahres beschlossenen Regierungsformel, Häftlinge, die „Blut an den Händen haben“, darunter die Drahtzieher von Terroranschlägen sowie Bombenbauer.

Entgegen der wiederholten Zusage von Israels Außenminister Silvan Schalom gegenüber Vertretern der EU sowie US-Außenminister Colin Powell, den palästinensischen Präsidentschaftskandidaten volle Bewegungsfreiheit zu garantieren, kam es in den vergangenen Tagen zu schweren Zwischenfällen. So wurde der Kandidat der PPP (Palästinensische Volkspartei) Bassam Salchi am vergangenen Freitag für sechs Stunden festgehalten, da er angeblich einen israelischen Soldaten geschlagen hatte. Auch der liberale Präsidentschaftsanwärter Mustafa Barghuti beklagte sich vor Journalisten über wiederholte Schikanen vonseiten des israelischen Militärs.

Nach der Entscheidung Marwan Barghutis gegen eine Wahlbeteiligung stehen noch acht Kandidaten zur Wahl. Der letzte Termin für einen Rückzug der Kandidatur ist morgen. Der offizielle Wahlkampf beginnt erst 14 Tage vor dem Urnengang.

SUSANNE KNAUL