Der Betriebsrat und die Spucke an der Backe

Rainer Einenkel, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende von Opel Bochum, hat nach einem Streit um die Gründung einer Einigungsstelle seinen Rücktritt angeboten. Kritiker vermuten taktisches Manöver

BOCHUM taz ■ Die Verhandlungen um die Zukunft von Opel fordern ein erstes Opfer innerhalb des Betriebsrats. Der stellvertretende Bochumer Betriebsratsvorsitzende, Rainer Einenkel, hat als Reaktion auf die getroffenen Vereinbarungen mit der Geschäftsführung seinen Rückzug aus der Spitze der Bochumer Arbeitnehmervertretung sowie dem Opel-Gesamtbetriebsrat angeboten. „Wenn jemand meine Aufgaben übernehmen will, stelle ich meine Ämter zur Verfügung“, sagte Einenkel gestern der taz. Seinen Entschluss habe er dem Betriebsratsvorstand sowie der Bochumer IG Metall bereits schriftlich mitgeteilt. Da sich bislang noch kein Nachfolger gefunden hat, bleibt Einenkel aber zunächst im Amt.

Einenkels Rücktrittsankündigung ist Ausdruck des rauen Klimas in den Gesprächen zwischen Betriebsrat und Opel-Geschäftsführung. Nach Angaben Einenkels hatte das Management bei den Verhandlungen über Abfindungen und die Gründung einer Transfergesellschaft für die Opelaner mit dem Scheitern der Gespräche gedroht, sollten die Betriebsräte die Einrichtung einer so genannten Einigungsstelle verweigern.

Für den Fall, dass nicht genügend Opelaner freiwillig das Unternehmen verlassen, müssen in dieser Einigungsstelle Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam darüber befinden, wen betriebsbedingte Kündigungen treffen würden. Einenkel sperrte sich zunächst gegen diese Lösung, stand jedoch weitgehend allein – die meisten Vertreter des Gesamtbetriebsrat stimmten zu. Letztlich segnete auch Einenkel die Forderung des Managements ab: „Wir hätten sonst nicht solch ein gutes Abfindungspaket bekommen. Außerdem wollte ich verhindern, dass Bochum in den Augen der anderen Standorte wieder die Spucke an der Backe hat“, sagt der 50-Jährige.

Überzeugt ist Einenkel von der Entscheidung auch jetzt nicht: „Wir haben ein Stück politische Handlungsfähigkeit abgegeben“, sagt er. Seinen Rücktritt anzubieten, sei da nur konsequent. Zwar hätte Opel durch das Aussprechen betriebsbedingter Kündigungen eine Einigungsstelle erzwingen können, dies hätte jedoch Zeit gekostet – Zeit, die vor allem jene 1.200 Opelaner in Rüsselsheim nicht haben, die bereits zu Beginn des kommenden Jahres in die Transfergesellschaft gehen sollen.

Bei der Bochumer IG Metall sieht man die Schuld für Einenkels Rücktritt bei Opel. „Das waren keine freien Verhandlungen, es gab keine Handlungsalternativen“, sagt der für Opel zuständige Gewerkschaftssekretär Jürgen Schmidt. Geht es nach ihm, dann soll Einenkel im Amt bleiben: „Wenn er geht, ist das ein Verlust für den Betriebsrat. Einenkel ist ein außerordentlich integrer Mann“, sagt Schmidt.

In Opel-Kreisen wird der Entschluss des als gemäßigt geltenden Einenkel jedoch nicht nur als Überzeugungstat gewertet: „Im Januar 2006 sind Betriebsratswahlen und Einenkel ist mit allen Wassern gewaschen. Er will sich jetzt als Märtyrer darstellen, um in einem Jahr Vorsitzender zu werden“, sagt ein Kenner des Betriebsrats. Bei der Betriebsratswahl 2002 fehlten Einenkel lediglich zwei Stimmen zum Vorsitz.

Auch künftig will sich Einenkel nicht mit einer „Zuschauerrolle“ zufrieden geben. Am Amt klebe er aber nicht: „Es gibt so viele hier, die meinen, dass sie alles besser können. Sie müssen sich nur melden.“ KLAUS JANSEN