Kirchturm-Hafenpolitik

Vier Umweltverbände fordern ein nationales Hafenkonzept – bevor Elbe und Weser vertieft sind und im Jadebusen Containerriesen ankern. Den Wettbewerb der Standorte finden sie unökonomisch

aus HamburgGernot Knödler

Von der Tower-Bar des Hotels Hafen Hamburg auf St.Pauli kann man den ganzen Hamburger Hafen sehen, den zweitgrößten Containerhafen Europas, der jedes Jahr mit zweistelligen Raten wächst. Das ist schön, aber als Horizont für eine nationale Hafenpolitik ungenügend, finden die Umweltverbände Rettet die Elbe, BUND, WWF und die Aktionskonferenz Nordsee (AKN). In dem Hotel mit dem spektakulären Blick forderten sie gestern die Bundesregierung auf, schnell ein Hafenkonzept vorzulegen, das die ruinöse Konkurrenz zwischen den Bundesländern im Norden beendet. Bis das Konzept vorliege, dürften keine Häfen und Wasserwege neu oder ausgebaut werden.

Die Landesregierungen an der Küste wollen für den Schiffsverkehr in den nächsten Jahren rund zwei Milliarden Euro ausgeben: Mit der Verlängerung des Container-Terminals IV in Bremerhaven ist bereits begonnen worden. Niedersachsen möchte einen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven bauen, Hamburg und Bremen wollen Elbe und Weser vertiefen, um sehr tief gehenden Schiffen den Weg in ihre Häfen zu ebnen. „Jede einzelne dieser Maßnahmen ist zusammen mit dem bei den Häfen erforderlichen Ausbau der Hinterlandanbindungen ökologisch extrem problematisch“, finden die Umweltverbände.

Den Strömen sei in den vergangenen Jahrzehnten ohnehin übel mitgespielt worden. Seit der Sturmflut 1962 habe die Elbe 70 Prozent ihres Vorlandes verloren. Die Weser habe in den vergangenen 100 Jahren fast 80 Prozent ihrer Flachwasserzonen eingebüßt. Nach der jüngsten Elbvertiefung sei deren jährliches Sauerstoffloch größer geworden. Ein Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven (Jade-Weser-Port) hätte nach einer Studie des WWF weit reichende Umweltfolgen.

Dazu kommen der erforderliche Aus- oder Neubau von Straßen und Bahnstrecken für die Häfen. Ein Bau des Jade-Weser-Port würde täglich 1000 zusätzliche Laster auf die Piste zwischen Wilhelmshaven und dem Bremer Kreuz schicken, warnt Nadja Ziebarth von der AKN. Die von Niedersachsen gewünschte Küstenautobahn A22 würde in einem Abstand von lediglich 40 bis 60 Kilometern zur bereits vorhandenen A1 das Land durchschneiden.

Diesem ökologischen Preis stehen nach Ansicht der Umweltschützer zweifelhafte ökonomische Vorteile gegenüber. Einer neuerlichen Elbvertiefung werde ein Nutzen-Kosten-Koeffizient von 14,6 attestiert, sagt Herbert Nix von Rettet die Elbe. Unter der Voraussetzung, dass der Jade-Weser-Port gebaut wird, verringere sich das Nutzen-Kosten-Verhältnis auf 4,9.

Wenn die Schiffe größer würden, heiße das keinesfalls, dass deren Tiefgänge in gleichem Maße mitwüchsen, sagt Manfred Braasch vom BUND Hamburg. Statistiken zufolge seien die Container zudem in den vergangenen Jahren leichter geworden.

Daten des Hamburger Amtes für Strom und Hafenbau, die Rettet die Elbe ausgewertet hat, zeigen: Von den knapp 7000 großen Schiffen mit mehr als 14 Metern Konstruktionstiefgang, die 2002 den Hamburger Hafen anliefen oder verließen, hatten nur 156 einen tatsächlichen Tiefgang über dem für die Elbe kritischen Wert von 12,80 Metern. Diese geringe Zahl, die auch in Zukunft nicht wesentlich steigen werde, rechtfertige die geplanten Investitionen nicht, finden die vier Umweltverbände.

Ihrer Ansicht nach sollten diese und andere Argumente in dem nationalen Hafenkonzept ohne Tabus und in einem transparenten Verfahren gegeneinander abgewogen werden. Die Konkurrenz der Hafenstandorte, bei der jedes Bundesland eigene Interessen verfolge, sei „nicht mehr zeitgemäß“.