CDU-Ortsverbände sollen sich selbst entmachten

Der neue Kölner CDU-Chef Walter Reinarz will die Macht der CDU-Ortsfürsten mit Basisdemokratie brechen. Künftig soll jedes Mitglied stimmberechtigt sein, wenn Kandidaten auserkoren werden, schlägt Reinarz vor. Die Delegierten der Ortsverbände müssen noch zustimmen

KÖLN taz ■ Nach ihrem Spendenskandal will die Kölner CDU mehr Basisdemokratie einführen. So könnten die rund 6.500 Mitglieder besser an Entscheidungsprozessen beteiligt werden, sagte der jüngst gewählte Vorsitzende Walter Reinarz der taz. Er erhofft sich damit ein Zeichen der Offenheit und Transparenz in Sachen CDU Köln. Tatsächlich aber droht ein Streit um den Erhalt etablierter Machtstrukturen.

Bisher wird in den 46 Kölner CDU-Ortsverbänden pro 20 Mitglieder jeweils ein Delegierter gewählt. Die so auserkorenen Vertreter der Basis treffen sich zu Kreisparteitagen und bestimmen dort die Geschicke des Kölner Verbandes. „Einfache“ Mitglieder haben dort kein Stimm- oder Rederecht. Bisher findet die Mobilisierung der Basis deswegen nahezu ausschließlich vor Ort statt. Die Wahl zum Delegierten ist damit ein doppeltes Machtmittel für die „Ortsfürsten“ der Union. Einerseits wollen die eine möglichst homogene und zuverlässige Gruppe als Parteitagsdelegierte zusammen stellen, um „Verhandlungsmasse“ gegenüber anderen Ortsvorsitzenden zu haben. Andererseits werden nur „verdiente“ Mitglieder eingebunden, die die Meinung der örtlichen Mehrheit repräsentieren.

Seit Jahren wird dieses System bei der Kölner CDU angewandt. Es ist zugeschnitten auf wenige, die die Fäden in der Hand halten und die Absprachen zwischen den verschiedenen Gruppen organisieren. Jetzt soll dieses Netzwerk abgeschafft werden. Künftig soll jedes einzelne Mitglied über politische Ziele, den Vorstand und die Kandidaten für Mandate abstimmen können. „Dann wird das Stimmvieh in Bussen herangekarrt“, sagt ein langjähriges Mitglied. Denn die alten Strippenzieher würden zumindest in der ersten Zeit verbissen darum kämpfen, ihre Macht nicht zu verlieren.

Walter Reinarz sieht das anders: „Ich habe mit dem CDU-Landesvorsitzenden Jürgen Rüttgers und Generalsekretär Hans-Joachim Reck gesprochen. Sie haben mir versichert, dass das in anderen Kreisverbänden gut funktioniert.“ Ein besonderes Risiko-Potenzial für die Kölner Union dürfte aber vor allem der mächtige Stadtbezirk Lindenthal haben. Hier sind Richard Blömer und Karl Ludwig Schmitz wieder an die Spitze gewählt worden, obwohl die Staatsanwaltschaft gegen beide ermittelt.

Viele Verantwortliche der Kölner Kreispartei sehen durch die Lindenthaler den Neuanfang nach der Skandalserie in Gefahr. Der passionierte Strippenzieher Blömer hat dort immerhin gut 1.500 Mitglieder hinter sich – fast ein Viertel aller Kölner Unions-Anhänger. Hinzu kommt, dass es bei Massen-Aufläufen mitbestimmungswütiger CDU-Leute zu enormen Platzproblemen kommen könnte. Bisher sind die Treffen mit rund 320 Delegierten durchaus berechenbar. Wenn aber bis zu 6.500 Menschen kommen könnten, ließe sich kaum mehr eine realistische Planung zum Beispiel für die Anmietung eines geeigneten Saales machen. Chaos wäre programmiert, meinen Kritiker. Alleine durch die Parkplatzsuche bei solchen Mega-Parteitagen könnte der Beginn verzögert werden.

„Ich will das im ersten Halbjahr durchsetzen“, gibt sich Reinarz dennoch unbeirrt. Eine entsprechende Arbeitsgruppe habe bereits mit den Beratungen begonnen. Ob bereits im März die CDU-Kandidaten für die Kommunalwahl im September basisdemokratisch aufgestellt werden können, ist noch offen. Zuvor muss noch die Satzung geändert werden – und dafür sind mindestens zwei Drittel der Delegiertenstimmen nötig. Die Vertreter der Ortsverbände müssten sich also praktisch selbst abschaffen.

Kölns SPD-Chef Jochen Ott sieht die Pläne von CDU-Chef Reinarz skeptisch. „Wir haben gute Erfahrungen mit unserem Delegiertensystem gemacht und werden auch daran fest halten“, sagte er der taz auf Anfrage.

Frank Überall