Junkies um die Ecke bringen

Drogenpolitisch endet das Jahr 2003 im Protest. Und es gibt keine Anzeichen dafür, dass der Senat sich davon beeindrucken lässt. Der „Fixstern“ wird ohne adäquaten Ersatz geschlossen und das Wüstenrot-Haus hinterm Hauptbahnhof eröffnet

Der Hauptbahnhof ist drogenfrei, die Menschen in Harburg und Wilhelmsburg müssen dafür büßen

von ELKE SPANNER

Seit Anfang Dezember bereits harren UnterstützerInnen des „Fixstern“ am Schulterblatt in dessen Räumen aus, um die Schließung der Hilfseinrichtung zum Jahreswechsel zu verhindern. Dennoch zeichnet sich ab, dass die Geschäftsführung des Trägers „Freiraum“ die Schlüssel Anfang Januar an die Gesundheitsbehörde übergeben muss.

Denn die hat sich allen sachlichen Argumenten versperrt und ohne Zaudern ihren Plan weiterverfolgt, den Fixstern aus dem Schanzenviertel zu verbannen. Dabei besteht zwischen der Behörde und dem Betreiber sogar Konsens darüber, dass der Standort am Schulterblatt ungünstig ist und auf Dauer aufgegeben werden sollte: Er liegt mitten im Wohngebiet, was immer wieder zu Protesten von AnwohnerInnen führt. Während sich die zuständigen Bezirksgremien aber darauf verständigt hatten, eine Ersatzfläche am alten Schlachthof bereitzustellen, hat der rechte Senat die Entscheidung revidiert und die ersatzlose Schließung verfügt.

Das hat im Sommer zwar zu einer kurzen Regierungskrise geführt – die FDP hatte sich für den Erhalt des Fixstern stark gemacht, darum gekämpft aber hat sie nicht: Als der Senat einen kleinen Kompromiss angeboten hat, war der FDP sofort der Regierungsfrieden wichtiger als die Gesundheitspolitik. Deshalb wird der Fixstern jetzt tatsächlich geschlossen und als „Ersatz“ eine reine Beratungsstelle neu eröffnet – allerdings ohne einen Druckraum, in dem sich Junkies unter hygienischen Bedingungen und medizinischer Aufsicht ihre Spritze setzen oder Crack rauchen können.

Die neue Drogenberatungsstelle soll auf der Fläche errichtet werden, die der Betreiber des Fixstern selbst als Ausweichquartier ins Gespräch gebracht hat: Auf der so genannten Brammerfläche an der Ecke Schulterblatt und Max-Brauer-Allee. Bislang steht dort für die neue Einrichtung, die zum Jahreswechsel eröffnet werden sollte, noch nicht einmal ein Gebäude.

Offiziell hat der Senat die Schließung der einzigen Fixerstube im Schanzenviertel mit einer anderen drogenpolitischen Maßnahme legitimiert. Zu Anfang Dezember hat er die Kapazitäten des „Drob Inn“ in St. Georg ausgeweitet – und argumentiert, dass die dortige Fixerstube auch von den Junkies aus dem Schanzenviertel mitgenutzt werden kann. Das widerspricht zwar einer statistischen Erhebung, laut derer die meisten NutzerInnen des Fixstern im Schanzenviertel wohnen und Süchtige folglich besonders für Angebote im eigenen Stadtteil ansprechbar sind. Der Senat aber meint, dass die bisherigen Fixstern-NutzerInnen in Zukunft nicht unterversorgt seien, sondern lediglich eine kurze Bahnfahrt auf sich nehmen müssten.

Dabei wurden die Öffnungszeiten und auch die Druckplätze in der Fixerstube des Drob Inn ausgeweitet, weil auch die bisherige Einrichtung in St. Georg vollkommen überlastet war. Fortan stehen fünf Druckplätze mehr als zuvor zur Verfügung, die künftig auch nachts zugänglich sind. Um sich entsprechend vergrößern zu können, hatten die Betreiber des „Drob Inn“ selbst der Gesundheitsbehörde vorgeschlagen, ins benachbarte und leer stehende ehemalige Wüstenrot-Haus hinter dem Hauptbahnhof zu ziehen.

Auch die Idee, dass dort die Übernachtungsstätten für Drogensüchtige „Realex“ und „Nox“ mit einziehen könnten, stammt von den Drogenhilfeträgern und wurde von diesen folglich auch stets unterstützt. Auch sie aber widersprachen der Idee des Senates, im Wüstenrot-Haus die Drogenszene der ganzen Stadt anzusiedeln. Auch sie blieben dabei ohne Erfolg.

Ein großer Widerspruch der Senatspolitik liegt darin, einerseits die Drogenszene der Stadt ans Wüstenrot-Haus zu verweisen, andererseits aber die Zerschlagung der offenen Szene am Hauptbahnhof zu propagieren. Angeblich wurde sie durch rigiden Polizeieinsatz aufgelöst. Seit dem Frühjahr aber häufen sich die Beschwerden der BewohnerInnen von Harburg und Wilhelmsburg, dass sich die Szene in diese Stadtteile verlagert habe.