Die Langzeitprotestierenden

Seit Ende November demonstrieren Studierende mit einer Mahnwache vor dem Roten Rathaus gegen die Kürzungen an den Unis. Unerschrocken halten sie auch über Weihnachten und Neujahr aus. Kekse und Weihnachtsgefühle spendieren Passanten

VON TORBEN TRUPKE

Langsam klettert Stefanie Schmitt unter der Plane hervor und reibt sich die müden Augen. Seit mehr als einem Monat schläft die Soziologiestudentin jetzt schon hier am Roten Rathaus. Gemeinsam mit elf anderen Kommilitonen aller drei Unis protestiert sie mit einer Mahnwache gegen die Hochschulpolitik des Senats und den allgemeinen Sozialabbau.

Anfangs kannten sie sich überhaupt nicht. Mittlerweile ist aus dem bunten Haufen ein eingeschworenes Team geworden. Auf die Frage, wo sie denn studiert, fällt Stefanie erst mal nichts ein. „Wir sind hier schon so zusammengewachsen, das hab ich glatt vergessen“, lacht sie.

Halb eins mittags ist es jetzt. Vor der mit Planen und Absperrgittern improvisierten Unterkunft spielt Streikhund Jesko in der Sonne. Er ist so etwas wie das Maskottchen der mahnenden Studis. Und ihr Wachhund. „Dem entgeht nichts“, meint Olli stolz. Wenn sich die Protestler mal aufs Ohr hauen, sorgt er dafür, dass sie ruhig schlafen können. Denn der Platz, auf dem das Lager steht, zieht auch einige zwielichtige Leute an. „Es kommt öfter vor, dass hier Typen von irgendwelchen Sekten vorbeikommen.“ Meistens seien es aber nette Fußgänger, die ihnen Mut zusprechen und sie zum Weitermachen auffordern würden. Wie die Passantin, die gerade zielstrebig auf die Gruppe zusteuert. „Habt ihr eine Solidaritätsliste?, fragt sie. „Ne, aber eine Solidaritätskasse“, witzeln einige zurück. Die Kölnerin überlegt nicht lange und spendiert eine Münze. „Damit ihr euch nen Kaffee kaufen könnt“, meint sie lächelnd.

Das ist das Stichwort für Christian. Der TU-Wirtschaftswissenschaftler ist seit drei Wochen für das Frühstück zuständig – Tee, Kaffee und frische Brötchen. „Das war ne harte Woche, als er mal nicht da war“, grinst Frank. Verhungern werden sie aber bestimmt nicht, soviel ist sicher. Von den Spenden der Bevölkerung könnten sie locker leben. „Wir haben hier Kekse en masse“, sagt Katharina und zieht zum Beweis die Plane ein Stück weit zurück. An Heiligabend seien viele Leute spontan gekommen und hätten ihnen Essen gebracht. Auch die Pfadfinder haben sie schon bekocht – „und zwar live“, wie Olli es ausdrückt.

Eine ganz treue Sympathisantin bringt sogar regelmäßig Verpflegung. Extra für die Studenten hat sie eine auf die aktuelle Sparpolitik bezogene Version der Weihnachtsgeschichte geschrieben und ihnen am Weihnachtsabend überreicht. Gerührt halten sie das zusammengerollte DIN-A3-Papier in den Händen.

Manchmal allerdings kommen auch ein paar Freaks vorbei. Die meisten sind harmlos, wie dieser wütende ältere Mann. Seine Gesichtszüge verkrampfen sich, als er die Protestler anfährt: „Aktionen machen Sie? Sie sollen endlich mal studieren!“ Auf ihre Antwort, das würden sie gerne, wenn man sie denn ließe, geht er nicht ein. Er ist offensichtlich frustriert und froh, seinem Ärger mal richtig Luft machen zu können. „So was ist aber echt selten, das kommt alle zwei Tage mal vor“, kommentiert Stefanie.

Neben ihr steht Lutz Wilmering. Der 54-jährige arbeitslose Bürokaufmann ist von Anfag an mit dabei – aus Solidarität. Seine beiden Kinder studieren auch. Für ihn selbst sieht es schlecht aus. „Ende Januar fahre ich zurück nach Nordrhein-Westfalen. Hier gibt’s effektiv nichts für mich.“ Die Studis wollen mindestens bis 7. Januar ausharren. Bis dahin sollen Vollversammlungen der drei Unis über eine Fortsetzung des Streiks beschließen.