Richter segnen das Dosenpfand ab

Der Europäische Gerichtshof billigt im Kern die umstrittene Pfandpflicht – nur wenige Tage bevor der Bundesrat eine neue Verpackungsverordnung verabschieden soll. Die könnte für eine leichtere Rückgabe der Flaschen auch bei Aldi und Lidl sorgen

VON CHRISTIAN RATH

Großer Sieg für die Anhänger des Dosenpfands: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die deutsche Verpackungsverordnung grundsätzlich gebilligt. Nur in einem inzwischen überholten Detail – den Übergangsfristen – gab es Kritik. Damit ist nun der Weg frei für die Novellierung der Verpackungsverordnung am kommenden Freitag.

Die Pfandpflicht auf Einwegverpackungen gilt für Mineralwasser, Bier und Limonaden seit Januar 2003. Dies sah die noch von der Kohl-Regierung stammende Verpackungsverordnung vor. Nach ihr wird ein Pfand vorgeschrieben, wenn der Mehrweganteil bei diesen Getränken zwei Jahre hintereinander unter 72 Prozent fällt. Gegen diese Regelung hatten bereits vor Einführung des Dosenpfands zwei österreichische Getränkehersteller und die EU-Kommission geklagt. Nach ihrer Ansicht beeinträchtige die Drohung mit dem Dosenpfand den freien Warenverkehr. Denn der Handel müsse Mehrwegverpackungen bevorzugen. Für ausländische Produzenten sei aber wegen der weiten Transportwege der Aufbau eines Systems mit mehrfach verwendbaren Behältern schwieriger als für Inländer.

Dem stimmte der EuGH auch zu. Die Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs sei jedoch gerechtfertigt, weil die Förderung von Mehrwegsystemen das Abfallaufkommen verringere und damit dem Umweltschutz diene. Beanstandet wurde vom EuGH nur die kurze Frist zwischen verbindlicher Ankündigung des Dosenpfandes und seiner Einführung. Sechs Monate seien jedenfalls für Mineralwasserhersteller zu gering, so die Luxemburger Richter. Wie dies bei Bier und Limonaden aussieht, muss nun das Verwaltungsgericht Stuttgart entscheiden, das den Fall der österreichischen Kläger beim EuGH vorgelegt hat. Die EU-Kommission hatte ihre Klage auf Mineralwässer beschränkt, weil diese an der Quelle abgefüllt werden – und hier die Probleme ausländischer Hersteller am deutlichsten sind.

Diese Rüge ist für die Bundesregierung zwar peinlich, hat ansonsten aber keine konkreten Auswirkungen. Heute kann sich niemand mehr auf eine zu knappe Übergangsfrist berufen, da das Pfandsystem schon seit fast zwei Jahren existiert.

Als weitere Anforderung an ein Rücknahmesystem erklärte der EuGH, dass es eine „ausreichende Zahl von Rücknahmestellen“ geben müsse. Damit der Verbraucher nicht unbedingt zum Kaufort zurückmuss, um sein Pfandgeld zu erhalten.

Inwieweit das auch bei den Insellösungen von Discountern wie Lidl und Aldi erfüllt ist, muss noch geklärt werden. Bisher nehmen sie nur Getränkeverpackungen zurück, die bei der eigenen Kette gekauft wurden. Das soll jetzt aber ohnehin abgeschafft werden. So sieht es der Vorschlag von Bundsumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) zur Novellierung der Verpackungsverordnung vor, über den der Bundesrat am Freitag entscheiden muss. Es wird damit gerechnet, dass die Länderkammer zustimmt. Dann würde auch das neue Vertragsverletzungsverfahren, das die EU-Kommission im Oktober beschlossen hat, hinfällig, sagte gestern ein Kommissionssprecher. Die Kommission hatte die verbraucherfeindlichen Insellösungen gerügt.

Der Kompromiss, auf den sich Trittin nach monatelangen Verhandlungen mit den Ländern geeinigt hat, sieht zudem vor, dass das Einwegpfand künftig unabhängig von Mehrwegquoten erhoben werden soll. Dagegen sollen Milch, Wein und Fruchtsäfte in Einwegverpackungen dauerhaft pfandfrei bleiben. Ohne Pfandpflicht bleiben auch „ökologisch vorteilhafte“ Einwegverpackungen wie Getränkekartons.

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