Aus dem Schatten

Gestützt auf die Erfolge von Ronny Ackermann, wollen die Nordischen Kombinierer ihre Popularität weiter steigern

OBERHOF taz ■ Nicht wundern, liebe Fernsehzuschauer, wenn Sie am heutigen Dienstag schon wieder Skispringer von den Schanzen fliegen sehen, wo doch erst am gestrigen Montag die Vierschanzentournee in Oberstdorf begonnen hat. In dem ähnlich klingenden Ort Oberhof findet ein ähnlicher Wettbewerb in einer ähnlichen Sportart statt: Die Nordischen Kombinierer starten zum Deutschland-Grand-Prix, einer Art Dreischanzentournee mit den weiteren Stationen Reit im Winkl (2. Januar) und Schonach (4. Januar). Diese Serie hat Tradition im Wintersport, ihre Existenz blieb nur deshalb im Dunkeln, weil die Skispringer hier zu Lande einen langen Schatten werfen über alle anderen Wintersportler. Das soll sich ändern, die Kombinierer drängen ins Licht.

Nun glauben sie zwar nicht, die Spezialspringer verdrängen zu können, „aber wir versuchen, ähnlich populär zu werden“, sagt Bundestrainer Hermann Weinbuch. „Es gibt Synergieeffekte, die wir nutzen wollen“, erklärt Marc Schneider, der zuständige Pressesprecher im Deutschen Skiverband (DSV): „Die Zuschauer sind um diese Jahreszeit visuell eingepolt aufs Skispringen“, da sollte es den Kombinierern gelingen, sich auch ins Bild zu rücken. Zumal es ja den Lokalhelden Ronny Ackermann zu sehen gibt, Olympia-Zweiter, Weltmeister und Weltcup-Gewinner, Sieger in vier der fünf Weltcup-Veranstaltungen dieses Winters, herausragender Kombinierer der Gegenwart.

Vor allem ihm ist es zu verdanken, dass die Nordische Kombination in Deutschland wieder ein Begriff ist. „Die Aufmerksamkeit wächst von Jahr zu Jahr“, hat Weinbuch festgestellt. Man kann es sehen: Am Dienstag sendet die ARD rund dreieinhalb Stunden live aus Oberhof. Pressesprecher Schneider schränkt zwar ein, dass es bei den Sportarten im DSV noch große Popularitätsunterschiede gibt: „Bei den Kombinierern werden hier in Oberhof drei-, viertausend Zuschauer im Stadion sein, bei der Biathlon-WM im Februar sind es zwanzigtausend.“ Aber den Deutschland-Grand-Prix in Oberhof zu starten, darf dennoch als cleverer Zug angesehen werden. Im vorigen Jahr wurde die Auftaktveranstaltung von Oberwiesenthal nach Oberhof verlegt, und die Premiere verlief so gut, dass Ulrich Wehling, der Renndirektor des Internationalen Ski-Verbandes FIS, den Thüringern signalisiert hat, diese Weltcup-Veranstaltung auf Dauer austragen zu dürfen. Der Termin ist ja auch ideal, trotz der Vierschanzentournee: Um Silvester herum sind tausende Urlauber im Ort, das sorgt für volle Zuschauerränge.

Finanziell ist ein Weltcup in der Nordischen Kombination trotzdem noch ein Zuschussgeschäft. Der DSV unterstützt die örtlichen Organisatoren jeweils mit 50.000 Euro, aber Weinbuch ist sicher: „Es wird nicht mehr lange dauern, bis sich die Veranstaltungen selbst tragen.“ Ihm schweben einige Neuerungen vor, um seinen Sport noch attraktiver zu machen: „Die Wettkämpfe müssen noch schneller, noch geraffter ablaufen.“ Von der Sprungschanze direkt in die Loipe, auf kleinen Runden dauernd an den Zuschauern vorbei. „Dann könnte man das ganze Programm in neunzig Minuten abfeiern, so lange wie ein Fußballspiel dauert.“ Vermutlich wäre das auch den Fernsehsendern recht. Dass die Nordische Kombination früher an zwei Tagen abgehalten wurde, zuletzt noch bei Olympia 2002 in Salt Lake City, sei jedenfalls „eine fernsehtechnische Katastrophe“ gewesen, findet Schneider.

In Oberhof wollen die Kombinierer nun weiter für ihren Sport werben, das können sie dort besser als in Oberwiesenthal, sagt Hermann Weinbuch: „Die Schanze hier ist wesentlich anspruchsvoller, da kann man über 130 Meter weit springen.“ Er hat keinen Zweifel, dass seine Athleten dazu fähig sind: „Technisch springen viele Kombinierer so gut wie die Spezialisten.“ Die hätten mittlerweile schon ein wenig Angst davor, das Rampenlicht mit den Kollegen teilen zu müssen, glaubt Weinbuch bemerkt zu haben. Er wollte einige seiner Athleten bei der Skiflug-WM in Planica starten lassen. „Aber da haben sich die Skispringer quer gestellt“, sagt er. Man darf spekulieren, warum. Vielleicht weil sie fürchten, in den Schatten gestellt zu werden? JOACHIM MÖLTER