Gegenwind statt Gaudi

Auch beim gestrigen Auftaktspringen der Vierschanzentournee gab es nicht den erhofften Sieg für das Team des neuen Bundestrainers Wolfgang Steiert. Es gewann der Norweger Sigurd Pettersen

AUS OBERSTDORFKATHRIN ZEILMANN

Richtig Grund zum Strahlen hatte der Mann mit dem schwarz-rot-goldenen Fähnchen auch gestern nicht. Zwar gelangen dem Team des Skisprung-Bundestrainers Wolfgang Steiert am ersten Tag der Vierschanzentournee in Oberstdorf mit dem vierten Rang von Michael Uhrmann (128,5 und 132 m) sowie dem siebten von Georg Späth (129/127) respektable Platzierungen, doch ausgerechnet seine beiden Vorzeigespringer schafften erneut nicht den erhofften Durchbruch. Sven Hannawald, Oberstdorf-Sieger der letzten beiden Jahre, kam lediglich auf den 18. Rang (123,5/124,5), Martin Schmitt, der hier von 1998 bis 2000 dreimal gewann, wurde sogar nur 27. (114,5/121,5). Tagesbester war der Norweger Sigurd Pettersen (133/143,5) vor den beiden Österreichern Thomas Morgenstern (132,5/129) und Martin Höllwarth (126,5/133).

Vielleicht hat Wolfgang Steiert seinen neuen Aufgabenbereich ein wenig unterschätzt. Denn als Cheftrainer der deutschen Skispringer steht er nicht nur alleine im Focus der Öffentlichkeit, sondern muss auch die Verantwortung selbst tragen. Erfolg oder Misserfolg – Steiert muss sich rechtfertigen, wird zu Erklärungen aufgefordert. Im Falle von guten Ergebnissen ist das nicht weiter schwierig, dann redet Steiert gerne. Ein feines Grinsen umspielt dann seinen Mund, er gibt humorige Antworten und analysiert klar. Sehen die Ergebnislisten aus deutscher Sicht weniger positiv aus, fällt es ihm schwer, den Coolen zu spielen.

Noch im vergangenen Jahr galt Steiert als Gaudibursche im Team: Er sorgte für die nötige Lockerheit. Er konnte schlecht gelaunte Springer aufmuntern, war eher Kumpel denn Autoritätsperson. Im April berief ihn dann der Deutsche Skiverband (DSV) zum Nachfolger seines bisherigen Vorgesetzten Reinhard Heß – er war damit am Ziel seiner beruflichen Träume angelangt. Auch bei den Springern ist dieser Schritt angekommen, Steiert habe sein Amt im Griff, die Zusammenarbeit funktioniere gut, sagen sie.

Doch Steiert selbst musste erkennen: Der Chefstuhl ist kein weicher Polstersessel zum Zurücklehnen und Grinsen. Eher ein harter Holzschemel, auf dem man nicht allzu bequem sitzen kann. Bis zum Start der prestigeträchtigen Tour durch zwei deutsche und zwei österreichische Orte war die sportliche Bilanz von Steiert und seinem Team eher mager und der Chefsessel sogar besonders unbequem: Gerade mal ein dritter Platz des jungen Maximilian Mechler, ein schwächelnder Martin Schmitt, ein Sven Hannawald mit durchwachsenen Leistungen – das hatte sich der ehrgeizige Steiert sicherlich anders vorgestellt, auch wenn Wetterkapriolen oft faire Konkurrenzen verhindert hatten.

Dazu wurde gleich nach dem ersten Weltcupwochenende in Kuusamo das Bild vom Trainer, der mit eisernem Besen kehrt, gezeichnet. Weil er den Techniker öffentlich kritisierte, seinen Unmut über die Leistung einiger Springer zeigte und einen Athleten in den B-Kader zurückbeorderte. Dieses Bild hatte Steiert nicht gefallen, beim Weltcup in Titisee-Neustadt sah er sich veranlasst, zu erklären: „Ich rede mit den Leuten. Ich kehre nicht mit den eisernen Besen.“ Dazu kamen Stürze, Diskussionen um Magersucht – Steiert sieht seine Sportart in ein negatives Licht gerückt: „Überall ist das Skispringen schlecht weggekommen.“ Die Vierschanzentournee ist nun in diesen windigen Zeiten ein Hoffnungsanker. Steierts Traum: „Fünf, sechs Springer, die regelmäßig unter den besten 15 landen können.“

Doch just am Tag des ersten Springens wehte dem 40-Jährigen Gegenwind in Gestalt eines kritischen Artikels im Nachrichtenmagazin Spiegel entgegen. „Seine Souveränität wirkt ein bisschen peinlich“, ist darin beispielsweise zu lesen. Steiert hat mittlerweile gelernt, dass eine Generalabrechnung mit den Medien nicht gut ankommt. Deshalb sagt er: „Wenn ich das lese, stimmt mich das traurig.“ Man kann nun darüber streiten, ob hier berechtigt Kritik geübt wurde, eine Polarisierung betrieben oder einfach nur gescholten wird – gewöhnt ist Steiert an derart harsche Töne nicht, war er doch immer als Gegenpol zum gestrengen und bisweilen grantigen Reinhard Heß der Liebling der Öffentlichkeit.

Da ist es Steiert schon lieber, er kann von Zukünftigem sprechen, von dem, was er mit der deutschen Springer-Elite noch alles so vorhat. Würden einmal, nur ein einziges Mal, die Ergebnisse aller Athleten bei einem Wettkampf stimmen, „dann sind Dinge möglich, von denen man nicht einmal zu träumen wagt“. Spätestens dann sieht das Cheftrainer-Amt für Wolfgang Steiert aus dem Schwarzwald auch so aus, wie er es sich vorgestellt hat. Gestern in Oberstdorf war es noch nicht so weit.