Temporeicher Jazz

Seit seinem Debüt-Album „Seasons & Places“ von 1998 wird der in Köln lebende Florian Ross regelmäßig von der Fachpresse mit Lob überschüttet. Der 1972 in Pforzheim geboren Komponist und Pianist – er hat in London, New York und Köln studiert – gilt inzwischen als begehrter Virtuose, der gerne etwas ungewöhnlichere Projekte angeht. So hat er als Abschlussarbeit eines einjährigen Studienaufenthaltes in England die „Suite For Soprano Sax And String Orchestra“ komponiert, bei der er ein Streichorchester mit dem renommierten Sopran-Saxophonisten David Liebman auf Jazzebene miteinander verband.

Seine neue Veröffentlichung „Blinds and Shades“ erscheint bei dem Plattenlabel „Intuition“ und wurde bereits im letzten Jahr in Zusammenarbeit mit dem WDR und dem Deutschlandfunk im Kleinen Sendesaal des WDR und im Kölner „Loft“ aufgenommen. Sie zeigt neben den kompositorischen Fähigkeiten Ross auch als den Piano-Virtuosen, der er ist. Zusammen mit Remi Vignolo (Douple Bass) und John Hollenbeck (Drums), der auf zwei Stücken von Martijn Vink abgelöst wird, bildet er als Bandleader ein furioses Piano-Trio. Dabei gibt er sich deutlich als Traditionalist zu erkennen: In den ruhigeren Momenten erinnert er an das Bill-Evans-Trio der 60er Jahre und wirkt dann tatsächlich auch etwas bieder.

In den schnelleren Stücken überzeugt er aber mit einer Virtuosität, die nicht nur im luftleeren Raum das Strebertum des Klassenbesten ausstellt, sondern sich mit beflügelnden Melodien und spannenden Rhythmen legitimiert. In Stücken wie „Bookend“ nähert er sich damit sogar auch freieren Ansätzen des Jazz, die jedoch auf der CD seltene Momente bleiben. Die Musik von Florian Ross ist sicherlich nicht auf größtmögliche Innovation ausgelegt. Stattdessen bietet „Blinds and Shades“ angenehm melodiösen und oft auch temporeichen Jazz, wenngleich die Perfektion und Klarheit der Arrangements auf ganzer CD-Länge fast schon zu glatt wirken.

CHRISTIAN MEYER

Florian Ross Trio: „Blinds and Shades“, Intuition, LC 08399