Betriebsrenten werden hässlicher

Belastung von Direktversicherungen mit Krankenkassenbeiträgen sorgt für mächtige Jahresend-Konfusion. Fans der Bürgerversicherung bekommen Auftrieb: Alle Alterseinkünfte sollten gleich behandelt werden – auch Kapitalerträge

von ULRIKE WINKELMANN

In Rentenfragen fuchtelt früher oder später immer jemand mit „Karlsruhe“. So will jetzt der Präsident des Sozialverbands VdK, Walter Hirrlinger, prüfen lassen, ob die Mehrbelastung von Rentnern durch Er- bzw. Anhebung von Krankenkassenbeiträgen verfassungsrechtlich haltbar ist.

Nun fanden sich gestern erste Spitzenjuristen, die einer solchen Klage keine Erfolgsaussichten bescheinigen mochten. Doch hinter Hirrlingers Drohung verbirgt sich Konfliktpotenzial. Denn im Jahresendwirbel um die morgen in Kraft tretende Gesundheitsreform stellen sich einige Fragen noch einmal neu.

Zum Beispiel zu den Direktversicherungen, deren Beiträge bisher abgabenfrei sind: Warum fördert der Staat einerseits diese Form der betrieblichen Altersvorsorge mit Steuerentlastungen, belastet andererseits aber genau dieselben Direktversicherungen mit Kassenbeiträgen und macht sie dadurch unattraktiv?

Und weiter: Ist es fair, wenn gut verdienende Angestellte, die gegenwärtig den Kassenbeitrag bis zur Beitragsbemessungsgrenze zahlen, später bei der Auszahlung einer Direktversicherung auch noch auf diese Krankenkassenbeiträge zahlen müssen? Und was passiert eigentlich, wenn ab 2009 die Beiträge zur Direktversicherung nicht mehr sozialabgabenfrei sind? Dann wird doch das ganze Geld doppelt belastet, wenn auf die ausgezahlte Summe im Alter noch einmal Kassenbeiträge fällig werden?

Wer sich mit solch kniffligen Rätseln befassen mag, muss allerdings zweierlei auseinander halten: Erstens wird mit der Gesundheitsreform für alle, die Betriebsrenten und Ähnliches bekommen, der volle und nicht mehr der halbe Kassenbeitrag fällig. Rund ein Fünftel der Rentner sind davon betroffen. Ihnen steht eine durchschnittliche Zusatzbelastung von etwa 40 Euro pro Monat bevor. Das sorgt sowieso für Aufregung.

Zweitens wird für Neurentner auf Direktversicherungen, die der Arbeitgeber für seine Angestellten „direkt“ mit den Versicherungsunternehmen abschließt, ab jetzt der volle Kassenbeitragssatz fällig, wenn man sich die Versicherungssumme am Stück auszahlen lässt. Die Beitragszahlung wird dabei über zehn Jahre gestreckt – und die ausgezahlte Summe um ein rundes Fünftel vermindert.

Rund sechs Millionen Menschen haben eine Direktversicherung abgeschlossen. Darunter sind sehr viele Journalisten, womit sich der gegenwärtige Wirbel zum gewissen Teil begründen lässt. Sicherlich werden sie auch zu den Ersten gehören, die sich lieber nach einer rein privaten Zusatzvorsorge umschauen – von Kapitalerträgen muss man keine Beiträge zahlen.

Die Sprecherin des Gesundheitsministeriums erklärte gestern der taz, dass sich die Juristen des Hauses im neuen Jahr sicherlich mit all den aufgetauchten Fragen beschäftigen würden. Befürworter der Bürgerversicherung dagegen weideten sich an der nun entstandenen Konfusion.

Der Gesundheitsökonom und Regierungsberater Karl Lauterbach erläuterte der taz gut gelaunt, dass die einzige Lösung eine Gleichbehandlung aller Alterseinkünfte sei – der gesetzlichen wie der betrieblichen Rente und auch der Kapitalerträge. Andernfalls bleibe der Staat in dem Dilemma stecken, einerseits eine betriebliche Altersvorsorge unterstützen zu wollen und sie andererseits je nach Finanzlage der Krankenkassen belasten zu müssen. „Die demografische Herausforderung ist ohne mehr Kapitaldeckung bei Rente und Gesundheit nicht zu lösen“, sagte Lauterbach. „Der gerechteste und effizienteste Weg ist, kapitalgedeckte Renten und Anlagen zu fördern und von all diesen Anlagen Kassenbeiträge zu fordern.“