Die letzten Opelaner

Während die Bosse aus den USA der Traditionsmarke mit dem Blitz die Sterbeglöckchen zu läuten scheinen, huldigen hunderte Clubs unverdrossen dem Mythos Adam Opel AG. Echte Liebe rostet nicht, aber die Fans leiden still und seit langem. Allen voran die Leser des „Zuverlässigen“ – made in Hannover

Über den Sechszylinder des Kapitän: „Plätschern eines Gebirgsbaches“

Von Kai Schöneberg

Das Kissen mit der Autonummer / von meiner Großmama gestickt / kommt direkt neben den Dackel / der mit dem Kopf unaufhörlich nickt. (Herbert Grönemeyer: „Kadett“)

Als ihm die Frau aus dem Wagen nebenan am Walsroder Dreieck das Victory-Zeichen zeigte, wusste auch Jan Hetebrügge, dass er ein Kult-Auto fährt: einen quietschorangen Opel Kadett C aus dem Jahr 1977. Hetebrügge ist Redaktionsleiter des „Zuverlässigen“, der Mitgliederzeitschrift der „Alt-Opel Interessengemeinschaft“. Deutsche Krankheit, Keulenschlag in Bochum, Kaiserslautern und Rüsselsheim – während die Bosse aus den USA der Traditionsmarke mit dem Blitz die Sterbeglöckchen zu läuten scheinen, huldigen die 1.800 Mitglieder aus 30 Ländern weiter dem Mythos Adam Opel AG. Und: Die Vereinsmeier, Schrauber, Fans und Opel-Freaks, die vom Führerschein bis zur Bahre nix anderes fahren werden, leiden still. Es gibt Landärzte, die einen Opel-Doktorwagen aus der vorletzten Jahrhundertwende besitzen, Sammler von Opel-Nähmaschinen aus dem 19. Jahrhundert, Adelige, die über 100 Oldtimer mit dem Blitz besitzen.

Ein eigenes Opel-Universum mit Videos vom Jahrestreffen in Luckenwalde, Berichten über den „bewegten Lebenslauf eines weißen Opel Rekord B 1700 L“, der „Typgruppe Olympia/Kapitän 38-53“ und Ersatzteil-Foren. Niemand redet hier von Opas mit Hüten, gehäkelten Klopapier-Rollen, gesichtslosen Kisten und Vokuhilas. „Die Fans haben kein Problem mit dem Image, sondern mit den Qualitätsproblemen der 90er Jahre“, sagt Hetebrügge, der den „Zuverlässigen“ sechsmal im Jahr auf Hochglanz in seinem Redaktionsbüro in Hannover produziert. Vor allem in der Kostendrückerei des Managers Ignacio Lopez sehen viele die Ursache für die Rost- und Klapperlauben der letzten Jahre. Aber irgendwie halten sie dem Blitz doch die Treue. Es gibt hunderte Fan-Clubs in Deutschland.

Natürlich sind da die Manta-Leute. „Manta News finde ich echt geil ein dickes Bo eh. PS: Manta for ever“, lobt ein Klaus im Forum von Manta-News.de. „Schade nur, dass die PowerProllz fast alle guten Teile plattgeritten haben“, bedauert Axelporno an gleicher Stelle.

„Früher haben die Könige und Kaiser das Volk bis aufs Blut ausgequetscht, heute zerquetschen die Manager die Opelaner“, sagt Rolf Garbarek aus Stadthagen, den das Drama um die Traditionsmarke „sehr, sehr traurig“ macht. Seit seinem ersten Opel 1955 hat Garbarek die „ganze Palette“ in der Garage stehen gehabt. Für einen alten Kapitän zahlte er in den 70ern auch mal nur eine Kiste Bier, dann hat er „einen Olympia, Admiral A, Diplomat A und Diplo B gehabt. Doch der Senator flatterte schon über die Straße“, ärgert sich er – und kaufte einen Mercedes. „Die Händler haben die Nase zu hoch getragen“, wettert Garbarek, erzählt von Schwalbenleisten für „unverschämte 250 Euro“, der wegbrechenden Opel-Jugend und davon, dass er seinen P 1 gerade ein bisschen getunt hat: „Dann geht der 150“.

Auch ein Opel-Schicksal ist Jörg Fenske, der Hamburger Chef des GT-Club Deutschland. Weltweit gibt es vielleicht noch knapp 2.000 Exemplare der „Westentaschen-Corvette“ mit den klappbaren Scheinwerfern, für den die Opelaner in den 70ern mit dem Slogan „Nur fliegen ist schöner“ warben. In und um Hamburg zählt Fenske 30 Mitglieder, die gerade ihr 13. Europa-Treffen vorbereiten – immerhin gibt es ja noch weitere 40 GT-Clubs weltweit. Über die Krise gebe es ja „sehr unterschiedliche Ansichten, vor allem bei den Händlern“, sagt Fenske und meint damit, dass er sich da lieber nicht einmischt, weil sonst die Ersatzteile für seine zwei GTs noch schwerer zu bekommen sind. Nestbeschmutzer sind auch bei den Opelanern nicht gerne gesehen.

„Der Forster“, einige Jahre lang Opel-Chef, habe das Ruder ja wieder in die richtige Richtung gerissen, sagt Eckhart Bartels, den sie einst zum Ehrenpräsidenten der Alt-Opel IG machen wollten. Auch die Geschichte des Mannes, der die IG vor über 30 Jahren gründete, ist die einer enttäuschten Liebe. Der brabbelnde Sechszylinder des Kapitän hat es Bartels, der heute bei Siemens in Hannover arbeitet, angetan: „Das ist wie das leise Plätschern eines Gebirgsbaches“, sagt Bartels, dessen Fachbücher ( „Opel Fahrzeuge Chronik“, „Das Opel Rekord Buch“) Standardwerke sind. Und: „Es schmerzt, wenn die Marke kaputt gemacht wird.“ Früher hat er sich eine Scheune für seine Opel-Armada gemietet, aber als ihm die Reparaturen an seinem Calibra die Haare vom Kopf fraßen, sattelte selbst der Nestor der Opel-Bewegung um. Auch wenn Astra & Co heute wieder viele Tests gewinnen, steht für Bartels eins fest: „Als Jaguar-Fahrer weiß ich, was gediegene Ausstattung heißt“.