Schily gibt die Hoffnung noch nicht auf

Vergeblich kämpfte der Innenminister für mehr Zentralismus bei der Polizei. Nun setzt er auf die Föderalismusreform

Den Ruf eines Leisetreters hatte Bundesinnenminister Otto Schily noch nie. Was der SPD-Politiker aber in den letzten Tagen öffentlich an Abfälligkeiten über grüne Spitzenpolitikerinnen zum Besten gab, war selbst für seine Verhältnisse deftig. Der Zorn des Ministers kommt nicht von ungefähr: Schily muss fürchten, dass sein drittes Sicherheitspaket in der politischen Rumpelkammer landet. Endgültig. Daran sind die Grünen nicht ganz unschuldig – wenn auch der Kreis der Kritiker längst nicht nur aus verbohrten grünen Bedenkenträgern besteht, wie der Minister nun zu suggerieren versucht.

Seit Monaten kämpft Schily an allen Fronten für eine Zentralisierung der deutschen „Sicherheitsarchitektur“. Seine Kernforderung: Das Bundeskriminalamt (BKA) soll mehr Kompetenzen zur Terrorbekämpfung bekommen. Schilys erster Anlauf scheiterte kläglich. Bei der Innenministerkonferenz weigerten sich selbst die meisten SPD-Ressortchefs aus den Ländern, Kompetenzen abzutreten. Seither ruht Schilys ganze Hoffnung auf der Föderalismuskommission. So will er zumindest das Herzstück seines ohnehin schon geschrumpften Sicherheitspakets III noch retten – die BKA-Reform.

Doch steht jetzt der Koalitionspartner im Weg. Das Grundgesetz ändern, um dem BKA-Fahnder im Kampf gegen den Terrorismus die gleichen präventiven Ermittlungsrechte zu verschaffen wie einem Dorfpolizisten? „Unsinnig“, warnen die Grünen. Schließlich entstünden so nur Doppelzuständigkeiten und Rivalitäten mit Sicherheitsorganen der Länder.

Mit ihrer Kritik stehen die Grünen nicht allein. Die Frage, wie stark die Sicherheitsbehörden zentralisiert sein müssen, damit sie effizient arbeiten – sie spaltet Fachleute über Parteigrenzen hinweg. Die Zentralisten halten Deutschland mit mindestens 39 zuständigen Institutionen derzeit bestenfalls für bedingt abwehrbereit im Kampf gegen al-Qaida & Co. Aus ihrer Sicht reicht es nicht, in Berlin zentrale Lage- und Analysezentren mit zentralisierten Dateien über gewaltbereite Islamisten einzurichten. Obendrein müsse das BKA gestärkt werden und zumindest mit Durchsuchungen, Telefonüberwachungen oder Observationen auch präventiv gegen mutmaßliche Islamisten ermitteln dürfen.

Würde das tatsächlich mehr bringen? Nein, entgegnen viele Praktiker aus den Ländern. Sie haben durchaus stichhaltige Argumente. Angesichts der Bedrohungslage sei kein Bundesland daran interessiert, sich mit seinen Erkenntnissen einzumauern. Außerdem hätten nur örtliche Ermittler genug Einblick in lokale Szenen, um dort nichts Brisantes zu verpassen. Eine Mammutbehörde in Wiesbaden oder Berlin hingegen, deren Mitarbeiter im Zweifelsfall kaum wissen, wo Sachsen-Anhalt überhaupt liegt, sei mit dieser Aufgabe heillos überfordert.

Eine Erklärung allerdings bleiben die Zentralisierungsgegner schuldig. Gut möglich, dass gerade in großen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen oder Bayern die Terrorfahnder mindestens ebenso fach- und szenekundig sind wie die Islamismusexperten im BKA. Doch Mini-Behörden in Kleinstländern wie Bremen oder im Saarland dürften nicht mal genügend Übersetzer haben, um im Wirrwarr arabischer Sprachen und Dialekte im entscheidenden Moment das Entscheidende nicht zu überhören. ASTRID GEISLER