STUDIE: WENIGSTENS DIE NEUE ABWANDERUNG NACH WESTEN STOPPEN
: Die Finnlandisierung Sachsen-Anhalts

Irgendwann möchten die Menschen, die Sachsen-Anhalt auf der Suche nach Arbeit verlassen haben, wieder zurückgehen, hat eine Studie der Hochschule Magdeburg-Stendal herausgefunden. Die Binnenmigranten identifizieren sich stark mit ihrem Bundesland, sie behalten ihre Freunde im Herkunftsdorf, sie fahren häufig „nach Hause“. Das alles machen sie, um jederzeit heimkehren zu können. Aber das werden sie nicht. Wer Sachsen-Anhalt bereits verlassen und anderswo Arbeit gefunden hat, ist für das Land verloren. Denn die Lage auf dem Arbeitsmarkt wird auf absehbare Zeit nicht besser, auch wenn die Kinderbetreuung noch so gut ist. Und Uni-Absolventen verlassen das Bundesland, ohne sich überhaupt erst nach Arbeit in der Region umzuschauen.

Wenigstens die Hochqualifizierten wollen die Autoren der Studie halten. Was sie vorschlagen, läuft auf eine Finnlandisierung Sachsen-Anhalts hinaus. Die Regierung in Helsinki hat das Entvölkern kleinerer Gemeinden in Kauf genommen. Damit aber nicht alle in die Ballungsgebiete ziehen, hat sie neue Universitäten an kleineren Städten gegründet und die Flexiblen dorthin abwandern lassen. Diese neuen Standorte prosperieren, weiter draußen ist das Land leer.

Wirtschaftlich ist die Eliteförderung das sinnvollste Instrument, um den wirtschaftlich interessantesten Teil der Migranten im Lande zu halten. Im Osten ist nicht genug Geld da, um ganze Regionen dauerhaft zu versorgen. Doch der Preis dafür ist hoch. Migration reagiert nur träge auf wirtschaftliche Verbesserungen, die Eliteförderung braucht also eine lange Dauer. Während dieser Zeit bricht die Mitte weg: Elektriker oder Maschinenschlosser erhalten keine Staatsgelder und gehen ungehindert nach Westen.

Es bleiben die schlecht Gebildeten und mäßig Qualifizierten. Zur Finnlandisierung gehört, den Frust der Zurückgelassenen in den abgehängten Gebieten aufzufangen. Wenn das nicht gelingt, wird der Preis zu hoch. Die Rechtsextremen warten nur auf neue Chancen. Zwölf Prozent Wählerstimmen hatten sie schon einmal. DANIEL SCHULZ