Allein auf weitem Sand: Der Spiekerooger Inselbote

Tägliche Pressekontakte gibt es auch auf der ostfriesischen lnsel Spiekeroog: Hartmut Brings ist einziger Redakteur und Verleger der Wochenzeitung „Der Inselbote“

700 Einwohner, ein Schwimmbad, keine Disco, ein Polizist, durchschnittlich zwei Fähren am Tag: Die ostfriesische Nordseeinsel Spiekeroog hat an Ereignissen nicht viel zu bieten außer dem täglichen Hochwasser. Was Großstadt-Redaktionen nur im Sommerloch und zwischen den Jahren erleben, ist Alltag für den 39-jährigen Journalisten Hartmut Brings. Im Interview verrät er, wie er es dennoch schafft, jede Woche in seinem „Inselboten“ Bewohner und Urlauber mit harten News zu versorgen. Heute erscheint die Weihnachtsausgabe.

taz: Und, ist noch was los?

Hartmut Brings: Ich habe schon regelmäßig Termine, mit der Kurverwaltung oder dem Direktor des Insel-Internates. Vor allem wird auf Spiekeroog im Winter gebaut, das heißt wir haben ungefähr zehn Baustellen, auch eine ganz umstrittene. Die Gemeinde war dagegen, dass jemand ein Ferienhaus mit einer Glasfront baut. Anfang Dezember hat aber das Bundesverwaltungsgericht in letzter Instanz dem Bauherrn Recht gegeben.

Woher beziehen Sie denn Ihre Informationen? Werden die Ihnen beim Bier im Dorfkrug gesteckt?

Nee, die meisten der kommunalpolitischen Sachen kommen aus dem Gemeinderat. Ansonsten wird in so einer kleinen Dorfgemeinschaft von 700 Einwohnern auch viel mal so erzählt, aber das landet früher oder später auch im Gemeinderat oder war Seemannsgarn. Man darf sich das auch jetzt nicht so vorstellen, dass alle abends in der Kneipe sitzen und sich die Informationen von Stammtisch zu Stammtisch weitertragen. Im Sommer haben die Einheimischen gar keine Zeit für so etwas, weil sie oft zwölf Stunden am Tag arbeiten. Viele Leute haben hier nur eine Zweitwohnung, sind nur drei-, viermal im Jahr hier und kriegen kaum mit, was im Dorf so geredet wird.

Wenn Sie nur das aufschreiben, was ohnehin in der Kommunalpolitik ein Thema ist, fehlt es Ihnen nicht, mal eine Diskussion anzustoßen?

Das machen wir ja auch. In diesem Jahr hatten wir darüber berichtet, dass im Verhältnis zu den anderen Inseln sehr wenige Senioren hier Urlaub machen. Das liegt vermutlich daran, dass der Strand so weit weg ist vom Ortskern und viele nicht mehr so weit laufen mögen oder können. Jetzt gibt es eine Debatte darüber, die Museumspferdebahn bis zum Strand zu verlängern.

Machen Sie sich mit Ihrer Berichterstattung Feinde?

Feinde ist übertrieben, aber man eckt schon mal an. Ich arbeite aber so, dass ich den Leuten, die ich morgens beim Bäcker treffe, auch noch in die Augen gucken kann. Zum Beispiel verzichte ich in manchen Fällen darauf, das Alter oder den Namen zu nennen, weil die meisten ohnehin wissen, wer gemeint ist und ich muss ja nicht dafür sorgen, dass es noch der letzte Urlauber erfährt. Da gab es zum Beispiel einen Insulaner, der sich vor Gericht verantworten musste, weil er als Nationalparkwart einen schwer verletzten Seehund nicht fachgerecht getötet hatte.

Wie steht es mit der journalistischen Unabhängigkeit? Die meisten Spiekerooger sind schließlich in irgendeiner Form im Tourismus-Geschäft und potenzielle Anzeigenkunden.

Das ist ganz schwierig, gerade was die Gastronomie betrifft, da inserieren drei Viertel aller Betriebe bei uns. Mit denen muss man einfach genau besprechen, dass eine Anzeigenschaltung kein Freibrief ist, um redaktionell gewürdigt zu werden.

Gibt es auch Forderungen, Sie sollten lieber über die schönste Sandburg berichten anstatt über den Kampf um knappe Baugrundstücke?

Klar, wir machen im Sommer eher eine Zeitung für Urlauber und im Winter eher für die Einheimischen. Das Inselleben ist in den Dienst des Gastes gestellt, deshalb findet Kommunalpolitik im Sommer kaum statt. Es gibt allerdings auch Stammgäste, die interessieren sich für alles und gehen auch in den Gemeinderat. Ich berichte aber zu jeder Jahreszeit über Ereignisse, die in einer Kurbroschüre keinen Platz finden würden, das empfinde ich als meine journalistische Pflicht. Zum Beispiele die Handydiebstähle auf dem Zeltplatz im Sommer: Das hat nichts mit Negativ-Werbung zu tun, das kann man auch als Prävention verstehen.

Interview: Eiken Bruhn