Direktive: „Jetzt dürfen wir nicht eiern“

2005 soll das Land erblühen: Wirtschaftssenator Peter Gloystein (CDU) plant eine erweiterte Mittelstandsförderung, ein Landestourismusprogramm, eine Strategie für die Gewerbeflächen und will mit einer Milliarde Euro „ein neues Bremerhaven“ bauen. Gleichzeitig aber muss die bremische Gesamtinvestitionssumme um 70 Millionen schrumpfen

Bremen taz ■ Bremens neuer Wirtschaftssenator Peter Gloystein (CDU) geht in die Vollen. Der Ex-Banker ist keiner, der sich bei seiner ersten Zwischenbilanz auf die ersten hundert Tage im Amt beschränken würde: Gloystein analysiert gleich die vergangenen zehn Jahre. Ergebnis: „Es liegen Welten zwischen dem heutigen Optimismus und der tief depressiven Stimmung zu Zeiten der Ampel-Koalition“ – die Mitte der Neunziger freilich auch mit der Vulkan-Pleite zu kämpfen hatte. Gloysteins Interpretation: „Die große Koalition hat das Land vor dem Abschmieren bewahrt.“

Was Gloystein bei Amtsantritt vorgefunden hat, gefällt ihm durchaus: 62.300 arbeitende Menschen und ein Industrieumsatz von 20,5 Milliarden Euro (2003). Weitere Aufschwung-Belege: Ein zweiter Platz bei einer Erhebung zur „unternehmensfreundlichsten Stadt“ sowie der Blick aus dem senatorischen Bürofenster: „Der Winterzauber an der Schlachte ist ein schöner Beleg für unseren Erfolg.“

Was kann die Laune trüben? Staatsanwälte. Deren Aktivitäten hinterlassen beim Senator „einen gewissen schalen Geschmack“ – gemeint sind die jüngsten Ermittlungen zum Ausbau der Galopprennbahn und der Förder- und Beratungspraxis der Bremer Marketing Gesellschaft (BMG). Gloystein: „Ich stelle mich ausdrücklich vor die betroffenen Geschäftsführer.“ Aber schon der Space-Park macht Gloystein wieder „mäßig optimistisch“. Enervierend sei zwar der ganze Hickhack um die Betriebslizenzen et cetera infolge der Insolvenz, die Verhandlungen mit der Dresdner Bank aber – dort sitzt Gloystein ein ehemaliger Kollege aus Banker-Tagen gegenüber – liefen hervorragend: Dieser Tage sei die erste Liste mit interessierten Investoren zu erwarten. Im Übrigen gelte: „Wenn man große Volumen bewegt, kann auch mal was daneben gehen.“

Was aber ist zur mangelnden Auslastung der Gewerbeparks zu sagen? „Ein zu großer Anzug ist mir lieber als ein kleiner.“ Will heißen: Auch die Brachen der „Hansalinie“ seien als Standorte für die verarbeitende Industrie unverzichtbar, der Technologiepark ohnehin bereits „eine absolute Erfolgsgeschichte“ – inklusive Westerweiterung. Fakten? Bis Ende September seien insgesamt 18,4 Hektar städtische Grundstücke an Investoren verkauft worden, die ihrerseits Investitionen von 50 Millionen Euro und die Neuschaffung von 500 Arbeitsplätzen zugesichert hätten. Im übrigen werde schon kommenden Januar ein umfassender Bericht über alle Bremer Gewerbeparks einschließlich deren künftiger strategischer Aufstellung vorgelegt.

Wie ja 2005 überhaupt als Superwachstumsjahr geplant ist. Neben einem „umfassenden Mittelstandsprogramm“ – „entbürokratisierte und maßgeschneiderte Förderungen“ – und dem „Landestourismusprogramm“ soll es vor allem in Bremerhaven krachen: Mit einer „europaweit einzigartige Konzentration der Mittel“ – eine Milliarde Euro – werde ein „notwendiger Gewaltakt“ vollzogen, „2007 haben wir ein ganz neues Bremerhaven.“ Zumindest eine neu gebaute Kaiserschleuse, ein Mediterraneo, eine Marina sowie ein Auswanderer- und ein Klimahaus.

Um aber im Rahmen zu bleiben: Insgesamt müsse das Investitionsprogramm des Landes „auf etwas niedrigerem Niveau“ fortgeführt werden. In Zahlen? „Vielleicht 640 statt 720 Millionen Euro wie 2003.“ Aber nicht weniger – „da dürfen wir jetzt nicht eiern“, insistert Gloystein. Auch wenn der Herr Senator selbst über die wahrhaft übernatürlichen Eigenschaften einer eierlegenden Wollmilchsau zu verfügen scheint. Henning Bleyl