berliner szenen Weihnachten de Luxe

Leere Mattscheiben

Wo früher C.s Fernseher stand, ein großes, schweres Gerät mit Holzfurnier, klaffte nur kurz eine Lücke. Kabelfernsehen? Satellitenfernsehen? Fernsehen übers Internet? „Alles Quatsch“, sagt C., „Hightech für dutzende schlechter Programme hat sich noch nie gelohnt.“

C. hat die einmalige Chance genutzt, die digitales Antennenfernsehen bietet. Die GEZ bekam die Mitteilung, er sei jetzt nur noch Rundfunkteilnehmer. Die Leerstelle, die der Fernseher hinterließ, füllt jetzt ein altes Röhrenradio aus Bakelit. Gedämpft klingt hinter grauem Vorhangstoff die Stimme eines unsichtbaren Sprechers hervor. Der uralte Apparat fristete jahrelang ein Schattendasein im Keller. Nun steht der Televiseur im Dunkeln zwischen Briketts, Kartoffeln und Alteisen. Ab und zu steigt C. mit ausgewählten Gästen hinab, stöpselt den Netzstecker in die Feuchtraumsteckdose und lässt eine der soliden Programmtasten einrasten. Der Bildschirm flimmert, aus den Lautsprechern kommt ein beruhigend monotones Gerausche. „Ist das nicht großartig!?“, ruft C. dann, begeistert vom zweidimensionalen Schneegestöber.

Während andere um die halbe Welt reisen, um eine Sonnenfinsternis mitzuerleben, wird C. sich demnächst nach Frankfurt am Main begeben. Dort schalten sie in der Vorweihnachtszeit auch das terrestrische Antennenfernsehen ab. Wenn vom Sendemast auf dem verschneiten Feldberg die letzten analogen Fernsehwellen im Äther für immer verhallen, wird C. irgendwo in der Mainmetropole vor einer leeren Mattscheibe sitzen und in schönster Adventsstimmung sein: „Von Christiansen, Maischberger und Raab wird nichts mehr übrig bleiben, absolut gar nichts! Das ist besser als Weihnachten!“

ANSGAR WARNER