Berlin verliert den Anschluss

Glück gehabt: Oberverwaltungsgericht weist Klage von Wohnungsbauunternehmen ab. Kappung von milliardenschwerer Anschlussförderung durch Senat war rechtens. Revision wahrscheinlich

VON STEFAN ALBERTI
UND ROLF LAUTENSCHLÄGER

Thilo Sarrazin ist keiner, der sich gern in seinem Tun stören lässt. Als sein Pressesprecher Matthias Kolbeck ihn gestern in einer Sitzung jedoch anklingelte, war der SPD-Finanzsenator höchst erfreut. Denn Kolbeck gab das überraschende Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Sachen Anschlussförderung durch: Berlin muss im sozialen Wohnungsbau nicht weiter fördern. Das Urteil gilt als Musterentscheidung für weitere Prozesse, ist aber nicht endgültig. Die unterlegene Wohnungsbaugesellschaft Sistra kann beim Bundesverwaltungsgericht noch in Revision gehen. Der Senat hatte die milliardenschwere Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau für rund 27.000 Wohnungen Anfang 2003 auf Sarrazins Drängen gekappt.

In Saal 301 des Charlottenburger Gerichts argumentierten hochkarätige Anwälte gegeneinander: die renommierte Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer für den Senat, der frühere SPD-Bausenator Klaus Riebschläger für Sistra. Sprecher Kolbeck hatte sich zuvor skeptisch gegeben. Immerhin hatte das OVG zuvor mehrere erstinstanzliche Erfolge des Landes kassiert.

Dieses Mal war es anders. Das Gericht unter Vorsitz von Jürgen Kipp mochte der Argumentation der Kläger allerdings nicht folgen. Die hatten mit Vertrauensschutz und den zu erwartenden Folgekosten für das Land argumentiert. „Es gibt für die Gewährung einer Anschlussförderung keine rechtliche Grundlage“, meinte hingegen Kipp. In seiner Urteilsbegründung sagte er außerdem sinngemäß: Er hätte auch kein gutes Gefühl dabei, wenn das Gericht das Land Berlin verpflichten würde, Geld, das es nicht hat, für eine Subvention aufzuwenden, die es nicht will.

Wohnungsverbände reagierten „mit Überraschung und Bestürzung“. Das Urteil werde „teils dramatische Folgen für die Unternehmen haben“, kommentierten der Landesverband freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen und der Verband Berlin-Brandenburger Wohnungsunternehmen. Sie sprechen von Ausfällen von 3,3 Milliarden Euro und wollen eine Revision prüfen.

Die Finanzverwaltung geht bereits davon aus, dass die Sache erst in letzter Instanz am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden wird. Sarrazin gibt sich mit zwei Urteilen im Rücken zuversichtlich. Und setzt darauf, auch beim nächsten Mal angenehm gestört zu werden.