vodafone = aggression von WIGLAF DROSTE
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Technisch ist alles möglich im Konsumismus, und der Fortschritt ist überhaupt nicht mehr aufzuhalten: Niemand darf in Zukunft mehr auf das Gegenteil von Komik verzichten. Maximilian Schöberl, verantwortlich für das Kundenmagazin vodafone world, kommt aus dem Jubeln gar nicht mehr heraus, wenn er sein jüngstes Produkt feiert: „TV total für unterwegs, Comedy mit dem Besten von Raab, Engelke, Pocher & Co., das den Vodafone-Kunden künftig Wartezeiten verkürzt und Reisen verschönert.“ Man muss sich das vor Augen und Ohren führen, um zu wissen, worüber sich der Vodafonist in medizinisch messbare Euphorie redet: noch mehr trübäugig stierende, brechanfallartig Hha-Hha-Hha aus sich herausjürgende Landplagen in der Bahn oder wo man sonst gern unbehelligt bliebe.

Vodafone ist fest entschlossen: Der Terror hört nie wieder auf. Der Name des Unternehmens reimt sich nicht von ungefähr auf Aggression. Zutreten und Abgreifen sind die Markenzeichen von Vodafone, das in Deutschland 20 Milliarden Euro Steuern sparen will, indem es Buchverluste in Höhe von 50 Milliarden aus der Mannesmann-Übernahme abschreibt. Dadurch hätte das hochprofitable Unternehmen auf dem Papier einen riesigen Verlust und müsste auf Jahre hinaus weniger Steuern zahlen.

Das vodafone-world-Magazin wendet sich allerdings gezielt an Kunden, denen grobianische Geschäftspraktiken so egal sind wie alles andere, das nicht knallt und ballert. „Sieh mich an, wenn ich mit Dir spreche!“, herrscht die Werbung für mobile Videotelefonie den Konsumenten an, der sich bei Vodafone dem Zangengriff einer Domina ausgesetzt sieht. Zur Abrundung des Angebots reckt glitschige TV-Prominenz wie Kai Pflaume die Kaumuskulatur in die Kamera und grient nicht minder anzüglich als die O2-Konkurrenz, wo Franz Beckenbauer, Anke Engelke und Dieter Bohlen als öffentliche Vollbelästigungen zur Verfügung stehen. Bohlen lebt in Tötensen; der Name dieser niedersächsischen Ortschaft klingt immer wie eine Aufforderung. Doch niemand will ihr nachkommen, denn Bohlen ist ein Antimagnet. Da geht man nicht hin, davor läuft man nur weg.

In der piranhahaft um sich schnappenden Hohlwelt, die es Menschen ermöglicht, an jedem dazu völlig ungeeigneten Ort der Welt „Schatz, wir haben Netz!“ in ein Telefon zu brüllen und andere durchgehend mit Details ihrer Existenz vertraut zu machen, die schon privat von erschütternder Trostlosigkeit sind, wird vor allem der Nachwuchs hochaggressiv und zielgruppengerecht angekobert. Für Kinder, die sich für zwei Euro einen Klingelton aus der MTV-Werbung herunterladen sollen, gibt es den Slogan: „Alter, ruf mich auf meinem Handy an!“ Soldaten mögen alles Mögliche sein, Werbetexter aber sind Feldwebel.

Der menschliche Kopf, als Aufbewahrungsort für Klingeltöne viel zu schade, ist ein hochgradig geeignetes Instrument zur Erfahrung und Durchdringung der Welt. Unternehmen wie Vodafone möchten ihn gern zum Gegenstand sentimentaler, verlogener Nachrufe machen und wirtschaften ihn gezielt zum Gaff- und Quatsch-Kasten herunter. Man nennt das Verarmung durch Profit.