Duell in der Grauzone

Heute liefern sich vor einem Hamburger Gericht alte Bekannte wieder einen Schlagabtausch – der Rechtsstreit zwischen Günter Wallraff und Springer hat eher symbolische als juristische Bedeutung

VON STEFFEN GRIMBERG

Heute treffen sich vor dem Hamburger Landgericht alte Bekannte. Günter Wallraff und Abgesandte des Axel-Springer-Konzerns. Es wird vermutlich nicht der letzte Prozess bleiben, auch das Ergebnis dürfte längst feststehen. Doch der Schlagabtausch vor Gericht hat Symbolcharakter, der weit über das eigentliche Anliegen hinausgeht.

Das hatte im vergangenen Herbst seinen Anfang genommen. In der Sammelbehörde für die Akten des Staatssicherheitsdienstes der untergegangenen DDR waren nach der Übergabe der so genannten Rosenholz-Datei durch die USA neue Karteikarten und Schriftstücke aufgetaucht, die nun nach Springer-Lesart eindeutig belegten, was laut Konzernideologie schon immer nahe lag: „Stasi-IM Günter Wallraff“ schrieben gleich mehrere Springer-Blätter. Die für die Akten zuständige Birthler-Behörde leistete zunächst Schützenhilfe, musste dann aber zurückrudern: Ja, es gebe entsprechende Einträge über Günter Wallraff, ihre Aussagekraft sei aber nach wie vor umstritten.

„Zu den gegen mich erneut erhobenen Vorwürfen, ich sei aktiver Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit der DDR gewesen, erkläre ich: Schenkt man den über mich gespeicherten sechs Eintragungen (…) Glauben, wäre ich ein Topagent der DDR gewesen“, formulierte Wallraff süffisant in seiner Entgegnung. „Nachdem ein alter Verdacht gegen den Großinvestigator Günter Wallraff durch die Veröffentlichung der Rosenholz-Datei neue Nahrung erhalten hatte, trat dieser vor die Presse, um dort neben allerlei gewundenen Erklärungen einzuräumen, dass er den Kontakt zur Staatssicherheit gesucht hatte.

Für ihn wog dieses Eingeständnis offenbar nicht schwer: Allenfalls Naivität und Leichtfertigkeit im Umgang mit den DDR-Behörden könne man ihm vorwerfen, meinte Wallraff, und auch das nur „aus heutiger Sicht“, retourkutschte Konrad Adam in der Welt zurück und beklagte: „Kein Wort der Erklärung, des Bedauerns oder der Entschuldigung dafür, dass er sich aus freien Stücken mit dem Teufel an einen Tisch gesetzt, dabei jedoch die langen Löffel vergessen hatte, die man für eine solche Mahlzeit eben braucht. Er habe Nazi-Größen aufspüren wollen, verteidigte sich Wallraff, eine Absicht, die in seinen Augen so ziemlich alles zu rechtfertigen scheint.“

Das Urteil dürfte leidlich unspektakulär ausfallen: Springer darf weiterhin nicht behaupten, Wallraff sei aktiver Stasi-IM gewesen. Und Wallraff selbst wird mit der Grauzone über sein genaues Verhältnis zur Firma leben müssen.

Damit dürfte der 62-Jährige kaum Schwierigkeiten haben; immerhin hält er den wolkigen Springer-Groll ebenfalls schon seit Jahrzehnten aus. Wallraff und Springer sind noch richtig gute Feinde, publizistisch-öffentlich wie aus tiefster innerer Überzeugung. Das ist selten heutzutage. Dass es schon fast dreißig Jahre her ist, dass der „Großinvestigator“ dem Konzern noch zu Lebzeiten von Verlagsgründer Axel C. Springer seinen größten Schlag verpasste, ändert daran nichts. Der „Mann, der bei Bild Hans Esser war“, ist seitdem als Gesamtfeindbild wohl so etwas wie der einzige nicht schriftliche Verlagsgrundsatz im Hause Springer. Ausgerechnet beim Schlachtschiff Bild, genauer in dessen Regionalredaktion in Hannover, hatte sich Wallraff 1977 für rund fünf Monate als Mitarbeiter eingeschleust. In „Der Aufmacher“ enthüllte er danach die Recherche- und sonstigen Methoden der Bild-Zeitung.

Damals wie heute gilt: Wer sich mit Springer anlegt, braucht Standvermögen. Das weiß auch Hans Meyer, der als Held der Hertha auch von der Springer-Presse gefeierte ehemalige Trainer des Berliner Fußball-Erstligisten des Hertha BSC. Im Frühjahr rettete er den Club vor dem Abstieg, im Herbst stellte ihn Bild als geldgierigen Absahner dar. Eine „totale Erfindung“, so Meyer zum Tagesspiegel. Doch Bild schaffe es eben, dass „von 15 Menschen, die im Fußball arbeiten, 14 Angst haben, negativ erwähnt zu werden“. Bestimmte Methoden sind eben zeitlos.

Am Personenkreis, den heute der Bannstrahl von Bild trifft, kann man höchstens eine immer stärkere Konzentration des Blattes auf die Stars und Sternchen der Entertainment-Branche ablesen. Im Scheinwerferlicht finden sich dann plötzlich Kandidaten wie Anke Engelke oder Stefan Raab wieder – Prominente, die offenbar nicht genug auf die Wünsche des Blattes eingehen mochten.

Der Unterschied zum Fall Wallraff allerdings liegt auf der Hand: Nicht die ganze publizistische Macht des Konzerns bringt sich in Stellung. Dazu ist dann auch ein Hans Meyer nicht feindlich genug.