„Die Hörer wollten lieber Chris Howland“

GEERT MÜLLER-GERBES Als Pressereferent von Bundespräsident Heinemann musste er sich mal übergeben, als RTL-Moderator rügte er zigfach die Telekom – und als Opa erklärt er, wer den Mond geklaut hat

München im September 1972. Über Nacht hatte sich die Entführung der israelischen Sportler aus dem olympischen Dorf zu einer Katastrophe entwickelt. Auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck starben 15 Menschen – und Pressereferent Geert Müller-Gerbes hatte drei Stunden Zeit, um mit seinem Kollegen eine Rede für Bundespräsident Gustav Heinemann zu schreiben. „Von drei bis sechs Uhr morgens saßen wir dran“, erzählt er, „die nervliche Belastung war so groß, dass wir uns übergeben mussten.“

1976 holte Frank Elstner Müller-Gerbes zu Radio Luxemburg. Als Bonn-Korrespondent brachte er Hörern Politik näher, „die lieber Chris Howland hören wollten“. Mitte der Achtziger wechselte er zum neuen Privatfernsehen, wurde Nachrichtensprecher und Moderator bei RTL plus – und mit „Wie bitte?!“ auch dem breiten Publikum bekannt. Das Verbrauchermagazin spielte Szenen des alltäglichen Wahnsinns mit Behörden und Unternehmen nach, und Müller-Gerbes rollte das „Rrrrr“ und mimte den weisen Anchorman in der Mitte. Beliebtestes Opfer bei „Wie bitte?!“: die Deutsche Telekom. Zu Spitzenzeiten hatte das Format bis zu sechs Millionen Zuschauer.

Doch 1999 war plötzlich Schluss bei RTL. „Unternehmen hatten sich schon immer beschwert, aber von Helmut Thoma hatten wir Rückhalt.“ Vom neuen RTL-Chef Gerhard Zeiler wohl nicht. Müller-Gerbes ging und zeterte, dass es RTL nur noch um Gewinn gehe, „Fernsehen wird billigend in Kauf genommen.“ Er ist froh, dass er mit dem Privatfernsehen abgeschlossen hat, denn „wer den Leuten immer nur Bohlen und Co. vorsetzt, darf sich nicht wundern, wenn die Zuschauer bald nicht mal mehr die Werbung kapieren.“

Nur mit einem hat Müller-Gerbes noch nicht abgeschlossen – mit RTL-„Notruf“-Hans-Meiser. Aber über Fernsehen reden die beiden Freunde kaum. Er spart sich die Kraft für Besuche der Enkelkinder in Bonn, wo Müller-Gerbes schon ewig lebt. In der Oparolle geht der 71-Jährige auf. Müller-Gerbes hat zuletzt zwei Kinderbücher geschrieben: „Opa, wer hat den Mond geklaut?“ und „Opa, kann die Sonne schwimmen?“. „Denn wofür sind Großeltern denn da?“, fragt er: „Zum Spielen und Geschichten erzählen.“ JÜRN KRUSE