Verkehrstote sind kein Naturereignis

Das Land NRW will die Zahl der Verkehrstoten halbieren. Verkehrsminister Axel Horstmann stellt dazu ein neues Sicherheitskonzept vor. VCD und ADAC lehnen den Führerschein mit 17 ab, begrüßen aber normierte Kindersitze

DÜSSELDORF taz ■ Ein neues Konzept soll die Zahl der Verkehrstoten in NRW bis 2015 halbieren. Verkehrsminister Axel Horstmann (SPD) stellte gestern in Düsseldorf das Verkehrssicherheitsprogramm der Landesregierung vor. Zwar habe NRW mit fünf Todesopfern je 100.000 Einwohnern schon die niedrigste Rate in Europa, sagte Horstmann. Dennoch müsse alles unternommen werden, um tödliche Unfälle weiter zu minimieren.

So sieht die Agenda den Modellversuch „Begleitetes Fahren mit 17“, ein Tempo-Limit von 120 Stundenkilometern für Kleintransporter und einen fünften Spiegel für Lastwagen vor. Außerdem will sich NRW für eine Standard-Befestigung von Kindersitzen in allen Autos einsetzen. „Den Kindern gilt unser besonderes Augenmerk“, betonte Horstmann, denn „Unfälle sind kein Naturereignis“. 50 Prozent aller Kinder seien falsch gesichert.

Der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) NRW bewertete die einzelnen Vorhaben unterschiedlich. „Den begleiteten Führerschein mit 17 lehnen wir aufgrund der ungeklärten Rechtsfrage ab“, sagte ADAC-Sicherheitsexperte Günter Trunz. Bei Unfällen sei nicht klar, ob Fahrer oder Begleiter für den Schaden haftet. „Sicherheitstrainings für Fahranfänger sind sinnvoller“, so Trunz.

Auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) in NRW sieht den vorverlegten Führerschein skeptisch. „Man sollte für die Jugendlichen eher die Anbindung an Freizeiteinrichtungen verbessern“, sagte VCD-Sprecher Jürgen Eichel. Den einheitlichen Standard für Kindersitze begrüßten hingegen beide.

Beide Verbünde äußerten weitere Verbesserungswünsche. „Unser Sorgenkind ist der Zustand der Straßen“, klagt Trunz. Es mangele an Geldern für die Erneuerung, Unfälle seien die Folge. Weniger Bleifüße auf allen Pedalen fordert hingegen der VCD. Ideal sei eine Begrenzung auf Tempo 30 innerorts.

Im Vergleich stehe NRW gut da, was die Verbesserung der Sicherheit angeht, urteilten die Verbünde. Das belegt die Zahl der Verkehrstoten. 2003 erreichte sie mit 942 Toten den Tiefstand seit Beginn der Erfassung.

Unklar ist, wann das neue Sicherheitskonzept umgesetzt werden soll. Voraussichtlich schafft der Bund im kommenden Jahr zumindest die Rechtsgrundlage für den „Führerschein mit 17“. Die normierten Kindersitze und der fünfte Spiegel müssen auf EU-Ebene ausgefochten werden. Für die langsameren Kleinlaster fehlten NRW laut Horstmann im Bundesrat die Verbündeten. „Hier bohren wir dicke Bretter“, so der Verkehrsminister. GESA SCHÖLGENS