Verhandeln bis Weihnachten

Auch nach dem vorläufigen Scheitern der Föderalismusreform hoffen Nordrhein-Westfalens Politiker weiter auf eine Einigung in letzter Minute. Entscheidend eingreifen können sie allerdings nicht mehr

VON KLAUS JANSEN

Peer Steinbrück will die Föderalismusreform noch nicht aufgeben. „Wir suchen nach einer Lösung“, sagte der sozialdemokratische NRW-Regierungschef, nachdem der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber und der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering die Gespräche der Reformkommission für vorläufig gescheitert erklärt hatten.

Auch der stellvertretende NRW-Ministerpräsident Michael Vesper (Grüne) baut darauf, dass sich Bund und Länder noch in letzter Minute auf eine Neuregelung ihrer Kompetenzen und Beziehungen einigen können. „Wir sind darauf angewiesen, dass es eine Lösung gibt. Es ist schon ein vernünftiger Kompromiss erreicht worden, jetzt dürfen die Gespräche nicht scheitern“, sagte Vesper gestern der taz. Auch seitens der Wirtschaft wird auf eine Fortsetzung der Verhandlungen gedrängt: „Ein endgültiges Scheitern der Reformbedingungen wäre eine Katastrophe für NRW“, sagte Herbert Schulte, NRW-Landesgeschäftsführer des Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW).

Grund für die Verhandlungsunterbrechung in Berlin war vor allem ein Streit um die Zuständigkeiten in der Bildungspolitik. Vor allem die CDU-Ministerpräsidenten bestehen auf einer uneingeschränkten Bildungshoheit der Länder, der Bund will jedoch Kompetenzen in den bisherigen Gemeinschaftsaufgaben Hochschulbau, Bildungsplanung und Forschungsförderung behalten. Auch Vesper plädiert dafür, dass der Bund gewisse Aufgaben in der Bildungspolitik behält: „Um Vergleichbarkeit bei Zugängen und Abschlüssen zu gewährleisten, muss es Bundesplanungen geben. Stoiber geht in diesem Punkt eindeutig zu weit“, sagte Vesper. Gerade in Sachen Bildung sei der Bund den Ländern schon weit entgegen gekommen. Auch bei anderen wichtigen Themen zeichneten sich positive Ergebnisse für Nordrhein-Westfalen ab, sagte Vesper: So sei die von Innenminister Otto Schily (SPD) geforderte Bundespolizei ebenso vom Tisch wie eine Festschreibung des Solidarpakts mit den neuen Bundesländern im Grundgesetz, die das Nettozahlerland NRW ablehnt.

Unklar ist, auf welchem Weg nun eine Einigung erzielt werden soll. Die grüne NRW-Fraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann sprach sich wie SPD-Chef Müntefering dafür aus, den Streitpunkt Bildung zunächst auszuklammern und in einer Expertenrunde neu diskutieren zu lassen. Die FDP im Bundestag forderte gar einen „Föderalismus-Konvent“, in dem „Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben“ ihre Expertisen einfließen lassen sollen. Möglich ist allerdings auch, dass die Reform in einer nächtlichen Elefantenrunde zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder, Stoiber und Müntefering ausgehandelt wird. Dies zumindest deutete Dieter Wendorff, Sprecher von NRW-Justizminister und Verhandlungsteilnehmer Wolfgang Gerhardts an.

Gemein ist allen drei Varianten, dass das Land Nordrhein-Westfalen kaum noch Einfluss auf einen möglichen Kompromiss haben wird. Problematisch ist das nach Ansicht des Bochumer Politikwissenschaftlers Wilhelm Bleek allerdings nicht: „Stoiber ist zwar ein Bayer und CSUler, ohne Abstimmung mit den anderen Ländern entscheidet er aber nichts“, sagte er. Zur Not könne eine Kanzlerrunde helfen, um den „gordischen Knoten zu zerschlagen“. Dass dabei ein Jahr Reformarbeit parteitaktischem Geschacher zum Opfer fallen könnte, glaubt Bleek nicht: „Ohne solche Runden kann unser parlamentarisches System doch überhaupt nicht funktionieren.“