Junge Juden und Muslime feiern in der Disko

Anders als bei den Katholiken geht es bei den arabischen Christen in Köln an Weihnachten richtig zur Sache. Für Sikhs, Muslime und Juden hat das Fest keine religiöse Bedeutung, gefeiert wird trotzdem – letzter Teil der taz-Advent-Serie

Bei vielen Kölnern ist es Tradition, an Heiligabend um 22 Uhr die Mette in St. Maria im Kapitol, Kölns Weihnachtskirche, zu besuchen. Ausgesprochene Weihnachtskirchen sind ansonsten nur Roms St. Maria Maggiore und die Geburtskirche in Betlehem. Kölns italienische Gemeinde hingegen feiert in der Kirche Maria Himmelfahrt auf der Marzellenstraße. Dort geht es meist lebhafter zu. Kinder spielen zwischen den Bänken und kichern herum.

Auch in den Häusern der Italiener ist an Weihnachten Einiges los. „Der 25. Dezember wird in der Großfamilie gefeiert“, sagt Mario Puddu, gebürtiger Sarde und seit 29 Jahren Betreiber eines italienischen Feinkostladens in Köln-Sülz. „Mit der Familie zusammen wird auch Tage zuvor eine große Krippe aufgebaut, die für uns ein wesentlich wichtigeres Symbol als der Baum ist.“

Bei den arabischen Christen geht es richtig zur Sache. „Weihnachten ist für uns weniger ein besinnliches Fest als eine große Party, die man gemeinsam mit Familie und vielen Freunden feiert“, sagt Salim Chouffane (26), in Köln lebender Medizinstudent syrischer Abstammung. Alle gratulieren sich zum „Hid Al Mulat“, zum Geburtstag. Sie feiern die Geburt Christi mit einem großen Essen, „Harriese“-Kuchen und arabischer Weihnachts- und Dancefloor-Musik.

Doch was machen beispielsweise Muslime, Juden oder Sikhs an den Weihnachtstagen? Hat das Fest auch für sie eine Bedeutung? WDR-Journalistin Mela Simsek erklärt: „Für mich als Muslima hat das christliche Fest keine religiöse Bedeutung. Wir erkennen Jesus als einen Propheten an, feiern aber nicht seine Geburt.“ Doch auch in ihrem muslimischen Elternhaus in Köln-Buchheim stand einmal ein Weihnachtsbaum. „Damals war ich acht Jahre alt. Klassenschreck Udo ärgerte mich damit, dass es bei uns keinen Baum und Geschenke gebe. Ich verprügelte ihn, und es gab Ärger in der Schule. Am nächsten Tag stand, heimlich abgesprochen, ein Weihnachtsbaum bei uns zu Hause und meine deutsche Klassenlehrerin schenkte mir Christbaumkugeln.“

Für die 29-jährige Kölner Jüdin Rivkah Young haben die Weihnachtstage einen anderen Sinn: „Für uns bedeutet Weihnachten in erster Linie Erholung.“ Die Fotostudentin liebt es, dass dann die Geschäfte geschlossen sind, Filmklassiker gezeigt werden und es so ruhig ist auf den Straßen. „Am Nachmittag des 24.12. gucke ich immer ‚Der kleine Lord‘ und abends gehen wir in die Disko. Eine der ersten, die überhaupt Weihnachten in Köln geöffnet hatte, war der Wartesaal. Dort trafen sich vor allem Muslime und Juden.“

Anders ist es bei Sandeep Singh Chhatwal (31). Der junge Inder und Sikh und dessen Familie haben die deutsche Form des Weihnachtsfestes übernommen und begehen den Heiligabend mit Baum, Bescherung und Bratgans. „Wir feiern allerdings auch nicht in christlichem Sinne“, sagt der Kölner. „Für uns ist Weihnachten ein Fest der Familie, ohne religiösen Bezug.“ Eine religiöse Bedeutung hat für Chhatwal vielmehr die „indische Weihnacht“, das Fest „Gurpurab“, das im November den Geburtstag des ersten von zehn Gurus der Sikhs begeht. Gefeiert wird in der Kölner Tempelgemeinschaft mit einer Messe und gemeinsamer Mahlzeit am Boden, genannt „Langar“.

Eine besonders geerdete Weihnachtstradition haben die überwiegend protestantischen Esten in Köln. „Wir machen Schneeengel nach der Bescherung“, sagt Maie Kisis-Vainumae von der estnischen Volksgemeinde Köln. „Wir schmeißen uns rückwärts in den Schnee und bewegen Arme und Beine auf- und abwärts. Nur, dass es in Köln fast nie Schnee gibt.“ Nicole Klemp/Bruno Knopp

Die zwei vorangegangenen Teile der taz-Advent-Serie sind in der „taznrwköln“ vom 26. November und 4. Dezember 2004 nachzulesen.