THW Kiel unersättlich

HANDBALL Der Meister holt auch den Pokal. Mit 30 : 24 (15 : 12) gewinnt der Skandalclub THW Kiel vor 13.000 Zuschauern in der Color Line Arena das Final Four-Finale gegen den chancenlosen VfL Gummersbach

Es könnte der letzte große Kieler Erfolg für eine ziemlich lange Zeit sein

VON ROGER REPPLINGER

Wenn man weiß, dass magere Zeiten kommen, dann isst man sich noch mal satt. Der THW Kiel, der als Meister der Handball-Bundesliga schon feststeht, der das Finale der IHF-Champiopns League erreicht hat, holte sich am Sonntag in der Color Line Arena auch den Pokal. In einem einseitigen Finale wurde der VfL Gummersbach, der im Halbfinale den Hamburger SV aus dem Wettbewerb geworfen hatte, mit 30 : 24 (15 : 12) besiegt.

Der THW könnte den Hattrick schaffen. Am Jubel der Kiel-Fans und der Spieler merkt man, dass es für längere Zeit das letzte Mal sein könnte. Nikola Karabatić, vier Tore im Finale, und Vid Kavtičnik (6) wollen nach Montpellier. Karabatić dreht sich weg, wenn er Ex-THW-Geschäftsführer Uwe Schwenker sieht, einen der vermeintlichen Drahtzieher der Korruptionsaffäre des THW. Doch es ist genau jener Schwenker, gegen den die Kieler Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue und des Betrugs ermittelt, der die Verhandlungen mit Montpellier führt. Schwenker, nicht der neue THW-Geschäftsführer Uli Derad, hält die Fäden in der Hand.

Mannschaftskapitän Stefan Lövgren, den die Vereinsführung bekniet hatte, mit seiner Reputation durch Übernahme eines Amtes dem THW aus der Klemme zu helfen, geht nach Schweden zurück und auch Keeper Thierry Omeyer, der im Finale gegen Gummersbach seine Extraklasse unter Beweis stellte, will weg. In Frankreich soll eine erstklassige Liga aufgebaut werden, und das zieht die Franzosen, auch Guillaume und Bertrand Gille vom HSV, zurück. Der THW verhandelt mit Momir Ilić, wichtigster Spieler des Finalgegners Gummersbach. Außerdem soll ein Schwede für den Rückraum kommen. Wenn Omeyer bleibt, ist das eine gute Mannschaft, aber nicht so gut wie die unersättliche dieser Saison.

Noch völlig unklar ist, wie der THW aus dem Korruptionsskandal herauskommt. Gegen sechs osteuropäische Schiedsrichter ermittelt die Staatsanwaltschaft Kiel wegen des Verdachts, vom THW bestochen worden zu sein. Es geht um das Champions League-Finale 2007 gegen Flensburg, geleitet von den polnischen Unparteiischen Miroslaw Baum und Marek Goralczyk, die Rolle der Slowenen Darko Repensek und Janko Pozeznik, die im März 2008 den Sieg des THW gegen Ademar León pfiffen, und um die Ukrainer Walentin Wakula und Alexander Ljudowik, die im April 2008 das Champions League Halbfinal-Hinspiel gegen Barcelona leiteten.

Auf den Konten des THW gibt es unklare Bargeldabhebungen in Höhe von 152.000 Euro. Über Rechtshilfeersuchen sollen die Konten der verdächtigen Referees überprüft werden.

Der Präsident der Handball-Bundesliga, Reiner Witte, der eine große Nähe zu Uwe Schwenker einräumt, steht aus genau diesem Grund vor der Abwahl. Zurückgetreten ist der THW-Gesellschafter, Hubertus Grote, allerdings als Geschäftsführer der in ihrer Skandalberichterstattung überaus zurückhaltenden Kieler Nachrichten. Grote soll in der Nacht zum 1. Februar 2009 an der Bar des Hotels Esplanade in Zagreb gestanden haben, als Schwenker die Schiedsrichter-Bestechungen zugegeben hat. Gegenüber der Staatsanwaltschaft schweigt Grote und zahlt lieber ein Ordnungsgeld.

In Kiel hängt ja alles mit allem zusammen. Die Versicherungsgesellschaft Provinzial, die Lebensmittelketten Citti, Coop und Familia, sind Sponsoren und Kommandandisten des THW und Anzeigenkunden der Kieler Nachrichten. Die sind an der Kieler Ostseehalle, in der der THW spielt, beteiligt.

Die Provinzial, die den THW pro Saison mit 650.000 Euro sponsert, will aussteigen, wenn der THW weiter wie ein „Dorfverein“ geführt wird. Welch Beleidigung aller Dorfvereine.